Hexen in der Stadt
Juni 162J ein bischöflich Mandat verkündet worden, das genugsam erzeiget, wie Fürstliche Gnaden durchaus im Ernst die Sach zu betreiben gewillt sind.
Es ist aber auf heut in sechs Tagender erste Brand angesetzt, und werden dabei gerichtet werden vier Personen:
Die Hehlerin, ein Rathpersonsweib,
Die alte Ankers Witwe,
Die Gutbrodtin,
Die dicke Hökerin.
Gott sei den armen Seelen gnädig und segne Seine Fürstlichen Gnaden, so uns von dieser Pest zu befreien gewillt und entschlossen sind.«
Hexenwerk
Im Frühherbst gab es eine Kindtaufe im Hause der Ratsherren zum Stere. Jakobe, die schöne Arzttochter, hatte ihrem Manne nach zwei Töchtern endlich ein Söhnchen geboren. Der alte und der junge Ratsherr, Großvater und Vater, waren ganz närrisch vor Freude und fanden, der Anlaß sei es wert, ein Fest zu geben, wie es in diesen Zeiten des Hungers und der unaufhörlichen Angst vor Seuchen und Kriegsnot unerhört war. Aber die Steres mit ihrem weit im Land verstreuten Besitz an nahrhaften Höfen und Weinbergen konnten es sich immer noch leisten, und auch die Erlaubnis von Bischof und Rat, die eigentlich alle Lustbarkeiten verboten hatten, wußten sie sich zu verschaffen.
Sebastian, der andere Großvater, hatte wenig Lust, der Einladung zu folgen. »Tollheit, heutzutage einen solchen Haufen Menschen zusammen einzuladen! Was wird da wieder geschwatzt, wieviel Unheil aus lauter Torheit gesät werden!«
Seiner Frau gelang es, ihn zu überzeugen, daß sie Jakobe an ihrem Ehrentag nicht so allein lassen dürften. Sie hatte es schwer genug mit der Schwiegermutter, der aufgeblasenen alten Sterin. Jetzt, mit dem Stammhalter im Arm, würde es freilich leichter sein. Ihr Mann und ihr Schwiegervater taten ihr alles zuliebe und überhäuften sie mit Geschenken. Aber die Eltern konnte sie doch nicht entbehren, und sollten sie sich am Ende verstecken vor der großspurigen Stereschen Verwandtschaft?
Es war wirklich alles eingeladen, was nur einen Namen hatte in der Stadt, Ratsmitglieder, reiche Bürger und sogar einige von Adel, eine stattliche Versammlung von Halskrausen und Bärten, die Frauen rauschend und funkelnd im besten Putz. Sebastian blickte spöttisch im Kreise umher. Es gelüstete ihn, soviel versammelte, pomphafte Würde auf die Probe zu stellen, was sie zu wagen, zu bewirken vermöge. Mahnend stieß seine Frau ihn an. Seine Miene war ihr nicht geheuer. Er lächelte ertappt und nahm sich zusammen.
Nach dem Kirchgang, als die Paten ihre Geschenke überreicht hatten und das Festessen in vollem Gange war, zog Jakobe sich bald in die Wochenstube zurück. Es war Zeit, das Kind zu stillen. Auch brauchte die junge Mutter Ruhe nach dem anstrengenden Tage. Veronika ging mit ihr. Sie schickten die Mägde hinaus und hatten beim Versorgen des Kindes und den kleinen Handreichungen, die Veronika der Tochter leistete, zum erstenmal seit Tagen ein ruhiges Zwiegespräch miteinander. Das Gedeihen des jüngsten Stere, die kleinen Sorgen und die große Freude, die er bereitete, gaben Stoff genug.
Dann führte die Kinderfrau die beiden kleinen Mädchen zum Gutenachtkuß herein, und Jakobe bestimmte: »Laß sie nur hier, Gret! Die Mutter bringt sie schon zu Bett. Geh, daß du nicht zu kurz kommst beim Taufschmaus!« Die Alte freute sich, trug eilig ein Wännchen mit warmem Wasser herein, breitete Handtücher und Nachtröckchen am Ofen aus und huschte hinaus.
»Wie gut«, sagte Veronika, »daß du dich auf sie verlassen kannst!« Mutter und Tochter tauschten einen Blick.
Sie waren reizende, schwarze Lockenköpfchen, die beiden Schwestern, ganz wie einmal Jakobe ausgesehen hatte, deren südländische Schönheit immer wieder angestaunt wurde, weil sie so wenig ihren Eltern glich. Mancher fragte wohl, wie dieser fremdartige Vogel den Reutters zugeflogen sein mochte. Jakobe selbst hatte ihre eigenen Gedanken darüber wie über manches andere auch. Sie wartete nur darauf, die Mutter einmal in aller Ruhe ausfragen zu können.
Inzwischen streifte Veronika der Jüngeren das Hemdchen ab. Da griff die ringgeschmückte Hand der Mutter herüber und berührte einen dunklen, behaarten Flecken auf dem kleinen Rücken. Oben am Schulterblatt schien der zarten Haut das Fellchen einer Maus angeklebt zu sein, nicht größer als eines Mannes Daumenabdruck. Jakobe streichelte es und blickte die Mutter kummervoll an. »Kann denn der Vater wirklich nichts tun, es ausschneiden oder ausbrennen?«
»Er sagt, das sei nicht ratsam, die Wunde
Weitere Kostenlose Bücher