Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
Vom Netzwerk:
können und auf ihren Ruf.«
    Sebastians wieder leicht gehobene Hand unterbrach ihn. »Wie weit sind die damit gekommen, die jetzt im Unglück sind oder schon tot? Waren sie weniger ehrbar als Ihr? Nein, macht Euch nichts vor, Sicherheit ist nirgends. Es sei denn, Ihr flieht, und auch das ist gefährlich – oder Ihr entschließt Euch, etwas zu tun. Sonst werden noch viele in dieser Stadt sterben müssen, wenn nicht alle.«
    Das war zu viel. Einige Frauen ringen zu weinen an. Die Männer entrüsteten sich, fanden aber keine Antwort. Der junge Stere bat seinen Schwiegervater leise: »Verderbt uns doch nicht den Festtag, Vater! Es gibt so wenige jetzt.«
    Sebastian blickte der Reihe nach in die Gesichter rings um den Tisch. Die meisten wandten sich ab. Da legte sich eine Hand auf seine Schulter, und eine Stimme flüsterte nah an seinem Ohr: »Sag, wolltest du nicht um die Vesperzeit noch den alten Chorherrn besuchen? Es läutet schon.«
    Sebastian wandte sich nicht um, hielt aber Veronikas Hand für einen Augenblick auf seiner Schulter fest. Dann stand er auf, verneigte sich knapp und geleitete seine Frau am Arm hinaus. Der junge Ratsherr geleitete sie. Er war verlegen, denn er verehrte seinen Schwiegervater und wußte doch nicht recht, was er zu seinem Verhalten sagen sollte. Im Gärtchen hinter dem Haus hörte man das junge Volk lärmen. Veronika bat den Schwiegersohn, er möge Katrin und Sabine nicht zu spät heimschicken, daß sie nicht in die Dunkelheit kämen.
    Noch läutete es von allen Türmen den Feierabend ein. Der Himmel leuchtete über den Dächern. Aus den Gärten hinter und zwischen den Häusern duftete es herbstlich nach welkem Laub und den kleinen Reisigfeuern, deren blauer Rauch sich mit den Abendnebeln mischte. Dazwischen aber drängte sich immer stärker ein fremder, widriger Gestank auf, nach etwas anderm als verbranntem Laub. Sie spürten ihn beide zugleich, sagten aber nichts. Wenn der Wind von Westen her talaufwärts stand, wehte er den Geruch der Scheiterhaufen über die ganze Stadt. War nicht heute wieder ein Brand gewesen, der sechste oder siebente?
    Erst als sie in ihr Haus traten, brach Sebastian das Schweigen: »Ich weiß, ich war unvorsichtig. Ich hatte auch nicht vor, mich einzumischen, ich mußte wissen, daß es sinnlos ist. Aber dann sah ich sie alle in ihrer selbstgerechten Würde, wie sie so taten, als wäre alles wie sonst und in heiliger Ordnung, als wüßten sie nicht, daß gerade heute, während sie tafelten, die Ratsherrin Baunach verbrannt worden ist samt sieben andern, meist angesehenen Leuten. Da packte es mich, daß ich sie daran erinnern mußte. Aber sie sind nicht aufzuschrecken. Sie werden, gebannt von Angst, zusehen, bis man auch ihre eigenen Weiber und Kinder und zuletzt sie selbst auf den Scheiterhaufen schleppt.«
     
     
    In diesem Augenblick hörten sie draußen vor dem Fenster die eiligen Schritte der beiden Mädchen über die Kopfsteine klappern, hörten die Haustür ins Schloß fallen und unterdrücktes Gekicher. »Zu, zu!« rief Sabine leise. »Herein darf er nicht. Aber siehst du wohl, daß er hat kommen müssen, nur weil ich es wollte?«
    Veronika erstarrte. Sebastian aber hatte nicht auf die Worte geachtet. Er blickte aus dem Fenster und tat einen zornigen Ausruf. Draußen stand ein Knabe von vielleicht sechzehn Jahren im schwarzen Rock der Schüler vom Adelsseminar, ein hübscher, noch fast kindlicher Bursche, und blickte erstaunt auf die Tür, die eben vor ihm zugeschlagen worden war. »Steigen diese Bürschchen jetzt sogar anständigen Bürgertöchtern nach!« Sebastian trat in den Hausflur, scheuchte die erschrockenen Mädchen mit einem Wink fort, entriegelte die Tür und trat auf die Stufen hinaus, um den Jüngling mit ruhiger Strenge zurechtzuweisen.
    Veronika ergriff die Gelegenheit und folgte den Töchtern in die Küche. Mit ungewohnter Kürze schickte sie die Katrin zu Bett. Dem Sabinchen befahl sie, noch eine Stunde zu spinnen, zur Strafe, sie wisse wohl warum. Die Kleine zeigte schmollend an, daß sie es durchaus nicht wisse. Aber die Mutter ließ sie zu besserer Besinnung allein im Schein des Öllämpchens und ging in die Stube zurück.
    Eben schloß Sebastian wieder die Haustür und meinte kopfschüttelnd, einer von den frechsten sei der junge Herr anscheinend nicht. Er habe ganz bescheiden, fast verstört gewirkt und sei sogleich gegangen, ohne ein Widerwort. Was dem nur eingefallen sei! Aber am Ende hätten auch die beiden Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher