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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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das beklemmende Schweigen, das seinen Worten folgte, brachte ihn zur Besinnung. Daß gerade ihm ein solcher Verstoß hatte unterlaufen müssen! Wann je war in diesem Raum ein Geständnis Lüge genannt worden? Was unterschied diese Besagung von jeder andern, die zu Protokoll genommen und zur Grundlage einer neuen Verhaftung gemacht wurde? Aber das Verhör mit ‘kalter Fassung zu Ende zu führen, war eine Sache und eine ganz andere, sich hier in den eigenen vier Wänden dem Grauenvollen gegenüber zu wissen: einer Hexe, die seine eigene Mutter war.
    Sicher konnte sie ebenso gut oder noch eher eine sein als manche andere. Sie war boshaft, als geizig und zänkisch verschrien in der ganzen Stadt. Nur zu ihm selbst, zu ihrer Schwiegertochter und den Enkeln war sie immer gut gewesen, hatte sie in ihrer langen Krankheit gepflegt, nicht Mühen und Kosten gescheut. Aber – was bewies das? Solche scheinbare Fürsorge für ihre Opfer sagte man ja gerade den Hexen nach. Die Madien lag seit Jahren siech, die beiden ersten Kinder waren bald nach der Geburt gestorben, ob das dritte am Leben blieb, wußte niemand.
    Die Tür ging. Er sah sich nicht um, er wußte, jetzt kam sie herein mit der Suppenschüssel und ihrem betulichen Gerede, er möge doch tüchtig zulangen. Aber er wollte nicht essen, nichts von dem, was sie ihm zubereitet hatte. Wer konnte wissen, was drin war, was sie ihm vielleicht seit Jahren einflößte. Trotzig wartete er auf ein Wort, auf irgend etwas, was ihm einen Anlaß geben würde, ihr endlich die Meinung zu sagen.
    Aber, anders als sonst, blieb es still. Dann hörte er einen ungewohnten Laut. War es wirklich ein Schluchzen? Wußte sie es am Ende schon? »Was ist denn?«
    Er fuhr herum. Da heulte sie los, hoch und jämmerlich, die Schürze vor den Augen. »Das Büble!« Es lag im Sterben, das dritte! Er sprang auf. Für den Augenblick verschlug ihm der Schrecken jeden Gedanken. Aber schon seine Frage war voll Argwohn: »Wie hat denn das so plötzlich kommen können?« Sie fing gleich an, sich zu entschuldigen. Die Frau aus Nußdorf habe doch schon vielen geholfen mit ihrem Räucherwerk, auch der Madien einmal. Sie habe doch nicht wissen können, daß es diesmal so ausgehen werde. Voll Haß blickte er sie an: »Also doch Hexerei! Da hab’ ich ja gleich zwei auf frischer Tat ertappt.« Ihr klaffte der Mund auf vor Schrecken. Wenn sie in ihrem Jammer auch die Worte kaum erfaßte, den Blick verstand sie und schauderte zurück. An ihr vorbei ging er hinüber in die Kammer, wo die Wiege des Kleinen stand. Hilflos starrte er in das totenhafte Gesichtlein, das nur durch ein leises Röcheln noch Leben verriet. Die geweihten Kerzen qualmten, die Heiligenbildchen, die an den Pfosten der Wiege aufgehängt waren, pendelten hin und her. Ein schwerer Dunst hing im Raum. Dürr sog ihn mißfällig ein und wollte etwas fragen. Aber die Mutter gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß die Madien nebenan noch nichts wisse. Da winkte er sie mit einer heftigen Bewegung hinüber in die Wohnstube und nahm sie ins Verhör.
    Weinend gestand sie, sie hätte heute morgen die weise Frau aus Nußdorf kommen lassen, die durch Räuchern mit allerlei Kräutern schon oftmals Linderung bei Husten und Atemnot bewirkt habe, auch bei der Madien. Dem Buben aber hätte es diesmal gar nicht angeschlagen. Dreimal habe die Frau ihn in den Rauch gehalten und fromme Sprüche dabei gesagt. Danach aber sei es so mit ihm geworden, wie es jetzt sei.
    Er nickte in bitterer Befriedigung. Da war der klare Beweis, einerlei ob sie die Zauberei selbst vorgenommen oder eine andere dazu angestiftet hatte. Sinnlos, sie nach dem Namen zu fragen. Sie würde ihn nicht nennen, jetzt nicht – aber später. Oh, er wußte, wie man sie zum Reden bringen würde! Vielleicht gab es auch gar keine andere.
    »Was ist denn, Hansel?« fragte sie jammervoll. Sein Gesicht ängstigte sie. Er gab keine Antwort und ging ohne Mittagessen grußlos wieder ins Amt. Was auch daheim geschehen mochte, die Pflicht durfte nicht versäumt werden.
    Gegen Abend starb das Kind, und das Schicksal der alten Dürrin war besiegelt. Einen Augenblick lang, heute mittag auf dem Heimweg, hatte er, schwach geworden, mit dem Gedanken gespielt, sie zu warnen, vielleicht sogar fortzuschicken. Nicht weil er sie für schuldlos hielt! Der Gedanke konnte ihm nicht kommen. Es war ja seines Amtes, jedes Geständnis, jede Besagung für Wahrheit zu nehmen. Ihn hatte nur irgend etwas daran gemahnt, was ein Sohn seiner

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