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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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Wangen, die fieberglänzenden Augen. Da gab es nichts zu mißdeuten. Noch einen Monat oder zwei, dachte er. Spätestens nimmt der scheidende Winter sie mit. Er fühlte den Puls der heißen trockenen Hand und hörte die kindliche Stimme: »Der Hans hat mir gesagt, Ihr macht mich gesund. Aber das sag’ ich Euch, es darf nicht weh tun und nicht schlecht schmecken.«
    »Nein«, erwiderte Sebastian ernsthaft, »das versprech’ ich Euch.« Er fühlte einen dunklen Zorn gegen das alte Weib und ihren törichten Sohn, die nichts Besseres gewußt hatten, als dies junge Leben mit Quacksalbereien zugrunde zu richten. Vielleicht wäre noch Rettung möglich gewesen, ganz im Anfang – vielleicht, sicher war es nicht. Er brauchte nicht viel zu fragen. Jede Antwort bestätigte ihm, was er befürchtete. Hier war nichts mehr zu retten.
    »Bin so viel allein«, klagte die Kranke, »auch mein Büble bringen sie mir nicht, und die Frau Mutter ist schon lang nicht mehr gekommen.«
    »Sie tut eine Wallfahrt für dich, Madien, das weißt du doch«, tröstete ihr Mann.
    »Ja, ja, ich weiß. Aber mir wär’s lieber, sie war’ hier bei mir und nicht nur die dumme Kathi, die immer heult und selbst nicht weiß warum.«
    Sebastian lächelte ihr zu. »Sie wird schon wiederkommen. Bis dahin werdet Ihr die Tränklein nehmen, die ich Euch aufschreibe, etwas gegen den Husten und für einen guten Schlaf in der Nacht.« Er wollte dem Apotheker sagen, daß er nicht an Honig und feinen Gewürzen als Zutat spare, so werde die Arznei wohl süß genug schmecken, dachte er.
    Die Kranke lächelte zufrieden und voll Vertrauen, daß ihr also nichts Unangenehmes bevorstehe. Und dann war sie plötzlich eingeschlafen, wie ihr das aus Erschöpfung oft mitten im Gespräch geschah. Sebastian winkte dem Richter mit den Augen. Sie gingen leise hinaus.
    Drüben in der großen Stube fragte Dürr sogleich: »Nun? Ihr habt noch Hoffnung?« Auch ihn hatten die tröstenden Worte getäuscht.
    Sebastian antwortete nicht gleich. Er hätte manchen gerühmten Erfolg darum gegeben, wenn er hier, gerade hier, hätte Heilung versprechen können. Den Teufel Aberglauben in seiner eigenen Burg besiegen, ein Menschenleben aus den Klauen der Hexenkünste reißen und mehr noch, vielleicht viele dadurch retten, das war sein Traum gewesen. Einen Augenblick war er versucht, den Richter bei seiner trügerischen Hoffnung zu lassen, wenigstens für kurze Zeit einen Triumph der Wissenschaft vorzutäuschen. Aber daran konnte er nicht im Ernst denken. Hier mußte die Wahrheit gesagt werden.
    »Es ist die Auszehrung. Sie frißt Mutter und Kinder. Ihr könnt nichts mehr tun als ihr die letzten Tage erleichtern und sie bei gutem Mut erhalten. Für alles andere ist es zu spät.«
    »Aber was hätte man denn tun können?«
    »Vielleicht nicht viel. Wir wissen noch wenig über diese Krankheit. Nur eins ist gewiß: Sie hätte niemals Kinder gebären dürfen.«
    »Das ist Gotteslästerung. Es ist die Bestimmung der Weiber. Nie hat man gehört, daß sie dafür gestraft werden.«
    »Es ist keine Strafe, auch nicht, daß die meisten von ihnen in Erfüllung dieser Bestimmung sterben. Das ist Gottes Wille, solange er unser Wissen nicht besser erleuchtet. Aber an der Auszehrung müßte nicht jeder sterben, so viel wissen wir. Ihr habt es nicht gewußt«, fuhr Sebastian milder fort, von Mitleid erfüllt. »Es ist auch nicht sicher, daß zur rechten Zeit ein Arzt hatte helfen können. Aber Ihr habt es gar nicht erst versucht. Der Aberglaube, in dessen Diensten Ihr steht, hat Euch im eigenen Haus besiegt.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Nichts weiter, als daß Ihr immer zu viel an Hexen geglaubt habt, an den Schaden wie an den Nutzen, den sie bringen könnten. Das hat sich nun gerächt, an Eurem Weib und Euren Kindern.«
    »Also sind’s doch die Hexen gewesen, ich wußte es ja!«
    »Unsinn!« vergaß sich Sebastian. »Begreift doch! Euer Weib ist nicht durch Zauberei krank geworden, sondern weil die Leute, die Ihr zu Rate gezogen habt, nichts von der Heilkunde verstanden, weil sie Kurpfuscher und Betrüger waren, nicht Hexen.«
    »Was versteht Ihr davon!« Der Richter war auf vertrautem Gebiet und schlug einen andern Ton an. »Wollt Ihr etwa behaupten, die Hexen vermöchten so etwas nicht? Es ist sogar bewiesen, daß sie hier die Schuld haben, sie allein – vielmehr eine.« Er flüsterte, nahe am Ohr des Arztes: »Mit eigenen Ohren hab’ ich sie besagen gehört, im peinlichen Verhör: meine

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