Hexen in der Stadt
mit schlechtem Ruf, dem allerschlechtesten, den es gibt.«
»Ja, ich bin noch nichts und habe nichts, darum glaubst du mir nicht. Da müßte wohl ein anderer kommen. Was sagst du zum Franz Herzeller? Der soll ja wieder daheim sein.«
Das war nicht ohne Spitze gesprochen, und zum erstenmal klang die Entgegnung gereizt: »Sei doch still! Der müßte ja ein Narr sein, wenn…«
»Wenn was?«
Da konnte der Lauscher nicht länger schweigen. »Hier ist der Narr!« rief er und trat in die Tür.
Die beiden drinnen schrien leise auf. Dann lachte das Mädchen. »Du hast uns behorcht, Franz, das ist nicht fein!« Sie schob das Spinnrad beiseite und reichte ihm die Hand.
»Willkommen daheim, Franz!« sagte sie schlicht. Der Lautenspieler saß etwas entfernt auf einem Schemel, die Hände um sein Instrument geschlungen, mit finsterem Gesicht, unsicher, ob er bleiben oder gehen, sich trotzig oder unbefangen zeigen sollte.
Babelin entschied für ihn. Sie sagte freundlich: »Das ist der Johannes Schwegler, Student der Rechte und ein vortrefflicher Musikus, wie du wohl gehört haben wirst.« Der Herzeller gab das höflich zu, und dann standen die drei voreinander und wußten nichts mehr zu sagen.
Der Herzeller dachte, sie ist nicht anders als sonst, nur noch schöner, eben ganz erwachsen geworden. Seltsam, daß sie noch nicht geheiratet hat. Vielleicht erlaubt das der Teufel nicht? Dann aber meinte er, sie sollten doch wohl lieber die Tür schließen. »Denn was ich hörte, könnte jeder andere auch gehört haben.« Der Student ging hin, warf die Tür ins Schloß und lehnte sich mit trotziger Miene dagegen, entschlossen, entweder alles zu leugnen, was dieser Eindringling da gehört haben wollte, oder sich dafür zu schlagen.
Der Herzeller aber wollte keinen Streit. Er setzte sich und fing ganz bescheiden an: »Verzeih Er, wenn ich’s hörte. Mir scheint, Er glaubt, daß die Jungfer in irgendeiner Gefahr ist, und will sie überreden fortzugehen. Was ist der Grund?«
»Es ist zwar Unsinn«, erwiderte die Babelin böse, »aber sag’s ihm, Hans!«
Der Schwegler wollte nicht. Es sei schon gefährlich, dergleichen offen auszusprechen. Schließlich redete das Mädchen selbst: »Ich soll als eine Hexe besagt worden sein, und er will, daß ich mit ihm aus der Stadt fliehen soll.« Sie sagte es leichthin, die Achsel zuckend.
Der Schwegler verlor seine Scheu und setzte hinzu: »Sie ist in höchster Gefahr und will’s’ nicht wahrhaben.«
»Wer unschuldig ist, hat nichts zu fürchten, sagt mein Vater immer.«
»Ist das nicht die Wahrheit?« fragte der Herzeller den Studenten. »Wenn sie doch unschuldig ist…«
»Sie ist es!« unterbrach ihn der Schwegler heftig. »Aber viele waren es, und es hat ihnen nichts geholfen. Wen sie kriegen, der kommt auf die Folter, und da gesteht er alles, was sie wollen. Freigesprochen ist noch keiner worden.«
»Was kann man da tun?« fragte der Herzeller den Studenten, so als sei die Babelin nur als stummer Gegenstand ihrer schützenden Fürsorge vorhanden.
»Sie muß fort aus der Stadt, so heimlich und so schnell wie möglich. Jedes Elend ist besser als der Tod. Aber mir glaubt sie’s ja nicht.«
Ihm glaubt sie’s nicht, dachte der Herzeller, ob aber mir? Und ehe er sich besann, hatte er die Frage gestellt.
Sie fuhr hoch, zornige Tränen in den Augen. »Was denkt ihr Mannsleute denn von mir? Nur weil ich in Verdacht sein soll. Ich renne nicht auf die Landstraße, nicht mit einem Studenten und mit einem Soldaten schon gar nicht. Lieber…« Aber das konnte sie doch nicht aussprechen und schlug schaudernd die Arme um die Schultern.
Der Herzeller trat zu ihr und sagte ernst: »Ich würde dich – nun ja, heiraten. Unser Feldkaplan hat schon manches Paar getraut.« Dabei dachte er: Das hab’ ich gar nicht vorgehabt.
Was ist nur heut in mich gefahren? Aber anders geht’s doch nicht, und ich kann sie doch nicht diesen Kreaturen überlassen, den Priestern, Juristen und Folterknechten.
Sie antwortete nicht. Vielleicht begriff sie in diesem Augenblick, als der Herzeller so viel zu ihrer Rettung aufbot, erst ganz, wie groß die Gefahr wirklich war. Sie zitterte und war ganz bleich geworden.
Der Herzeller faßte ihre Hand und sagte lachend, um der Sache ein lustig tollkühnes Ansehen zu geben: »Nicht wahr, Herr Rechtsgelehrter, es gibt doch so einen Brauch aus alten Zeiten: daß jeder arme Sünder, ob Mann oder Weib, straflos ausgeht, wenn er unter dem Galgen weggefreit wird?«
Der Schwegler
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