Hexen in der Stadt
konnte sich an so etwas erinnern, wünschte aber, der Herzeller hätte das lieber nicht gesagt. Die Babelin fand das wohl auch, denn sie zog ihre Hand fort und sagte mit gefrorenen Lippen: »Es gibt auch einen andern alten Brauch, mein Vater redet oft davon: Wer dreimal die peinliche Frage übersteht ohne Geständnis, muß freigesprochen werden.«
»Darauf verlaß dich lieber nicht!« warnte der Herzeller, und der Student rief: »Ja, so steht’s in der Carolina, aber das gilt heut nicht mehr, im Gegenteil. Wer nicht gesteht, wird lebendig verbrannt, als unbußfertiger Sünder.«
Diese Worte fand nun wieder der Herzeller unnötig grausam. Aber die Babelin hatte ihre schöne Ruhe wiedergewonnen, wenigstens äußerlich. Sie erbat sich Bedenkzeit. »Bis morgen um die gleiche Stunde.« Der Herzeller willigte ein, obgleich der Schwegler widersprach, das könnte schon zu spät sein. Morgen, dachte der Herzeller, ist das Fest bei uns und die beste Gelegenheit, einen tollkühnen Plan auszuführen. Ich muß es mit den Kameraden besprechen, und dann hab r auch ich noch Bedenkzeit. »Gut, auf morgen!« sagte er, und die Babelin leuchtete den beiden zur Haustür hinaus auf die Gasse. Vor dem Tor des Herzellerhofes traf Franz den Christoph Bentz, der sich mittags verabschiedet hatte, um zu Mutter und Schwester in die Vorstadt hinauszugehen. Nun lehnte er hier im Dunkeln an der Mauer, und Franz redete ihn munter an:
»Schon zurück? Nicht willkommen gewesen bei Mütterchen? Um so mehr hier! Komm mit, es gibt was zu feiern!«
Aber der Christoph hielt ihn zurück und flüsterte: »Das Haus war verschlossen und versiegelt. Ich mußte die Nachbarn fragen. Sie sind verbrannt worden, die Mutter und beide Schwestern. Als Hexen – als Hexen!« Die letzten Worte schrie er fast heraus.
Den Herzeller schauderte es. Dawar es leibhaftig nah, das Unheimliche, von dem er bis jetzt nur hatte reden hören. Vielleicht hätte es ihm selbst so gehen können bei der Babelin, wäre er nur ein paar Tage später gekommen. Er zog den Freund ins Haus, überredete ihn, sich niederzulegen, wenn er auch wohl kaum Schlaf finden werde, und ging zu seinen Gästen.
Die fand er in ausgelassener Stimmung und schon ziemlich betrunken vor. Sie hatten dem Diener die Schlüssel abverlangt und dem Weinkeller des seligen Herzeller einen ausgiebigen Besuch abgestattet. So waren sie ganz dazu aufgelegt, den Plan des Kornetts großartig zu finden und begeistert ihre Hilfe anzubieten. Fast zu begeistert, dachte der Herzeller. Sie faßten das ganze Unternehmen sehr anders auf, als er es sich gedacht hatte, als einen tollen Streich zu ihrer aller Vergnügen. Nun, mochten sie! Erst einmal brauchte er ihre Hilfe, und nötiger, als er gedacht hatte. Denn er hatte von dem jungen Rechtsbeflissenen erfahren, daß die Stadttore bei Tag und Nacht streng bewacht wurden und der Fluchtversuch einer verdächtigen Person zu aisbaldiger Verhaftung berechtige. Die Entführung mußte sowohl heimlich als überraschend und schnell vor sich gehen, gedeckt von ein paar waffengeübten Männern.
Das Fest am nächsten Abend, beschlossen sie, werde genug Gelegenheit geben, die Wachsamkeit der Stadtknechte zu binden, so daß der Herzeller mit seinem Mädchen unbemerkt entkommen könnte. Vielleicht, hofften einige, werde sich auch für sie irgendeine liebreizende Hexe finden, die sie auf diese Weise dem Gericht entziehen könnten. Denn im Feldlager, darüber waren sie sich einig, könnte einem Mädchen alles mögliche zustoßen, nur nicht die Verurteilung durch ein Hexengericht.
Als Franz am nächsten Morgen auf einer Bank im Saal erwachte, stand seine Mutter vor ihm und hielt ihm mit strengem Gesicht einen Becher hin. »Da! Trink das, damit du wieder klar wirst im Kopf!« Er gehorchte. Es schmeckte bitter, ganz nach der Mutter Hausapotheke. Aber es half, und dann nahm sie ihn ins Gebet. »Wo warst du gestern abend? Bei ihr, nicht wahr? Und du hast etwas vor mit ihr?«
Ihn packte der Trotz. War er nicht schon seit manchem Jahr erwachsen, dazu kaiserlicher Offizier? »Nun gut, damit du’s weißt, ich will sie mitnehmen und heiraten.«
Die Herzellerin seufzte. »Es war’ schon schlimm genug, und ich müßte für dein Heil beten, wolltest du sie nur mitnehmen. Aber heiraten! Nicht nur daß sie von gemeinem Stande ist, schlimmer, sie ist eine Hexe.«
»Wer sagt das? Unschuldig ist sie in Verdacht geraten.«
»Und wer sagt dir das? Es sind schon Leute für schuldig befunden worden, denen man
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