Hexen in der Stadt
einzige, die sich vom ersten Augenblick an scheinbar ganz unbeschwert dem Tanz hingab, war die Jüngste des Doktors, Sabine. Sie sprühte vor Übermut, neckte alle und tanzte wie eine Feder. Seltsamerweise hatte gerade der Catalani, der sonst einem ganz anderen Geschmack huldigte, sie zu seiner Dame erkoren, vielleicht auch nur, weil das, was er sonst bevorzugte, hier unter den gesitteten Töchtern der Stadt nicht zu finden war. Er ließ die Kleine nicht von der Hand und lachte über jeden ihrer kecken Scherze.
Im Herumschwenken fragte er sie leise, ob es an dem sei, daß jede zweite oder dritte Jungfer hier in der Stadt eine Hexe sei.
»Da schätzt Ihr noch zu niedrig, Herr Offizier«, erwiderte die Kleine ernsthaft. »Es könnten auch alle sein, jede einzelne.«
»Was! Ihr auch, Jungfer?«
»Ja, vielleicht ich auch, aber das weiß ich selbst noch nicht.«
»Und wann, bitte, werden Eure kleine Weisheit geruhen, es zu wissen?«
Sie antwortete nicht gleich. Eine Tanzfigur trennte sie. Erst als sie wieder an seine Hand zurückkehrte, sagte sie: »Nicht eher, als jede andere es erfährt. Wenn uns der Meister Conz die Daumenschrauben anlegt. Da und in dem Augenblick werden die Hexen gemacht. Vorher ist keine von uns eine. Aber jede, die so weit kommt, wird eine. Habt Ihr das nicht gewußt?«
Dem Catalani verschlug es die Sprache und das Lachen erst recht. Eine sonderbare Art von Witz hatte das junge Ding! »Dann seht nur zu, daß dieser Meister Euch nicht zu fassen kriegt!« versuchte er zu scherzen.
»Das ist mein Bemühen«, erwiderte sie im gleichen Ton wie vorher, zwischen Spott und bitterem Ernst.
»Ach was!« rief der Catalani und schüttelte sich. »Laßt Eure Meister Hinz und Kunz und kommt mit mir! Die da machen’s richtig.« Er wies auf den Herzeller und die Babelin, die gerade vorbeitanzten, ein schönes Paar, wie füreinander bestimmt, hätten alte Leute befunden, wenn welche dagewesen wären.
»Ach, er nimmt sie mit?« flüsterte das Jungferchen, schnell begreifend.
»Schlimmer, er will sie heiraten.«
»Danach sehen die aber gar nicht aus«, meinte die Kleine, und der Catalani dachte: Teufel, hat die ein Naschen! Wie ein glückliches Paar sehen sie wirklich nicht aus.
Die beiden traten aus dem Reigen. Der Herzeller zog die Babelin in einen Erker und redete heftig auf sie ein. Auch sie schien nicht so sanftmütig zu antworten, wie man es sonst von ihr kannte. Sie schüttelte den Kopf und schien um etwas zu bitten, es zu fordern, verzweifelt, mit immer dunkleren Augen. »Du hast mir versprochen…«, hörten die Tanzenden einmal.
Dem Herzeller war die Antwort vom spöttisch lachenden Mund abzulesen: »Versprochen! Was hätt’ ich nicht versprochen…«
Und dann, als einmal die Musik leiser wurde, hörten es alle im Saal: »Dann sag wenigstens, daß du das nicht von mir glaubst, Franz!«
Und auch seine Antwort: »Warum soll ich es nicht glauben?
Alle glauben es von dir, und alles gibt ihnen recht. Aber was hat das zu sagen? Morgen bist du weit von hier.«
Er legte den Arm um sie, aber sie riß sich los, trat die Stufe vom Erker herunter in den Saal und sagte so laut, daß alle es verstanden: »Nein, Franz! So will ich das nicht. Frag mich wieder, wenn ich rein bin vom Verdacht.«
Er stand ernüchtert da, beschämt und zornig. »Babelin!« versuchte er es noch einmal, ohne Kraft. »Du rennst mitten ins Feuer hinein.«
»Vielleicht. Aber das muß ich nun wagen. Anders ist kein Leben mehr für mich.« Noch einen Augenblick zögerte sie, als warte sie noch auf irgend etwas, ein Wort, das richtige, das ihr den schweren Weg ersparen würde. Es kam nicht. Da ging sie mitten durch die Tanzenden hindurch zur Tür, die nach der Treppe hinausführte. Alle blieben stehen und gaben ihr den Weg frei, die Musik verstummte. Auch die vorher nichts gewußt hatten, ahnten, was da geschehen war.
Der kleine Rotkopf am Arm des Catalani machte eine Bewegung, als wollte sie nachlaufen. Aber er hielt sie zurück, preßte Sie an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Willst du so dumm sein wie die? Komm mit mir! Du wirst’s nicht bereuen.« Fast schien es, als wollte sie nachgeben, so schmiegsam lag sie ihm im Arm.
Da drängte sich ein schönes, blondes Mädchen heran und rief: »Sabine, wo bleibst du denn? Es hat schon zehn geschlagen, wir sollten längst daheim sein.«
Die Kleine wand sich los und faßte die Hand der Blonden. Sie verneigte sich höflich gegen ihren Verehrer und sagte: »Vielen Dank, Herr
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