Hexen in der Stadt
bekümmert zur Ruhe legte. Herr Hans Wolfgang von Rotenhan zu Koppenwind, seit langem ohne Nachricht von seinem Sohn, war früh am Morgen von seiner Burg den weiten Weg in die Stadt gekommen und hatte im Adelsseminar nach ihm gefragt. Da hatte er vom Rektor das Unerhörte erfahren: daß der Junker, nachdem er lange seine Studien vernachlässigt und, Gott sei’s gklagt, ein liederliches Leben angefangen habe, sich zuletzt sogar dem Teufel verschrieben und zum Hexensabbat ausgefahren sei, wie mehrere verurteilte Malefikanten 7 bezeugt hätten.
Dem Vater kam es keineswegs in den Sinn zu lachen. Er fragte, wie eine so schwere Anklage habe erhoben werden können ohne Wissen der Eltern, da sein Sohn doch minderjährig, ja fast noch ein Kind sei.
Milde belehrte ihn der Rektor, gerade darum habe man den Junker in der Obhut dieses Hauses behalten. Man hoffe immer noch, einen so jungen Menschen ohne Malefizgericht und peinliche Frage allein mit geistlichen Mitteln wieder auf den rechten Weg zu bringen. Doch könne nicht verschwiegen werden, daß, wenn der Junker weiter so verstockt bleibe, wie er sich bisher gezeigt habe, die schwerste Ahndung sich kaum werde vermeiden lassen.
Der Herr von Rotenhan verschluckte seinen Zorn und verlangte nun sehr kurz angebunden, seinen Sohn zu sprechen. Dies indessen mußte der Rektor aus erzieherischen Gründen verweigern. Zur Zeit sei der Junker noch derart aufsässig, daß jede Begegnung mit der Außenwelt seinen Trotz nur steigern und eine vielleicht keimende Einsicht stören könne. Wenn eine solche Begegnung ratsam, ja wünschenswert erscheine, werde man es den Vater wissen lassen.
Es fiel dem edlen Herrn schwer, auch dies noch einzustecken. Mit knappem Gruß, kaum die Höflichkeit wahrend, machte er mit klirrenden Sporen kehrt, bestieg sein Pferd und ritt ohne Verzug zur Burg hinauf, beim Bischof selbst Beschwerde einzulegen.
Er drang nicht durch zu Seinen Fürstlichen Gnaden. Diener und Sekretarius hielten ihn im Vorzimmer auf und versicherten ihm, der Herr könne ganz gewiß in den nächsten Tagen vor lauter Geschäften keinen Augenblick für einen so unverhofften Bittsteller erübrigen. Wenn aber der Herr von Rotenhan sein Anliegen dem Sekretarius mit wenigen Worten anvertrauen wollte, so werde dieser gern versuchen, was bei Ihro Fürstlichen Gnaden aus gnädiger Geneigtheit zu erreichen sei. Der arme Vater schnaufte schwer. Aber was blieb ihm übrig? Die Zeit drängte. So vertraute er widerwillig dem Federfuchser seine brennende Sorge an. Der eilte davon und kam bald mit der Antwort zurück. Fürstliche Gnaden ließen sagen, der Fall sei hierorts wohlbekannt und werde im Auge behalten. Der Junker sei bei den Patres in guten Händen und habe, sofern er sich fügsam erweise, nichts zu befürchten. Der Herr von Rotenhan möge ohne Sorge heimreiten.
Ohne Sorge! Der hatte gut reden! In seinem Quartier im Gasthof, bei einem trübseligen Abendtrunk faßte der arme Vater einen neuen Entschluß. Früh am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg zur Stammburg seines Geschlechts, wo ein entfernter Vetter als Haupt der Familie und Führer der Ritterschaft des Landes seinen Sitz hatte: Adam Hermann von Rotenhan zu Rentweinsdorf. Am Mittag des folgenden Tages kam Hans Wolfgang dort an und wurde freundlich, aber mit Zurückhaltung empfangen. Denn der Vetter wußte Bescheid und konnte sich den Grund des Besuches denken.
Hans Wolfgang rückte auch alsbald damit heraus und bat den Vetter um Fürsprache, wenn nötig, um Eingreifen der Ritterschaft zugunsten seines Sohnes, der zu unrecht bedrängt, ja an seinem Leben bedroht werde.
Der Vetter ließ ihn ausreden und erwiderte dann stockend: »Schad’ um deinen Buben, daß er in so schlechte Gesellschaft geraten ist! Damit steht er leider nicht allein. Die Sitten der jungen Domicellare sind ein öffentliches Ärgernis. Warum die Patres gerade an ihm ein Exempel statuieren wollen, weiß ich nicht, vielleicht seines Namens wegen, der ja auch der meine ist. Schlau genug haben sie’s angefangen. Schau, würde dein Bub allein seines Wandels wegen von ihnen drangsaliert, wegen Spiel oder Rauflust, meinethalb auch wegen einer Liebschaft, so könnte man wohl eingreifen. Aber sie haben listigerweise die Anklage auf Malefizverbrechen erhoben. Da können wir nichts tun. Niemand könnte es, nicht einmal der Bischof selbst, glaub’ ich.«
»Warum denn nicht?« polterte Hans Wolfgang. Ein Heiliger sei der Bub gewiß nicht. Wegen des liederlichen Lebens
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