Hexen Kuss. Werwolf-Fluch und Vollmond-Vampire
vorbeischaust!“
Ich hatte ihn eigentlich noch nie gesehen, aber sein Bild befand sich im Gedächtnis.
Er ließ mich eintreten. Auch Bellas Mutter war anwesend.
„ Was für ein wundervoller Mann kommen denn da?“ Sie umarmte mich wie ein altes Familienmitglied – als kannten wir uns seit Jahren. Dabei drückte sie mir herzlich einen Kuss auf die Wange. Sie hatte einen stark russischen Akzent. Oh, wie mochte ich den. Sie war mir sehr sympathisch.
Ich fühlte mich wohl und geborgen. Sie roch sehr gut, hatte pfirsichhafte Haut und wunderschöne braune Haare.
Der Vater kam nicht ganz so gut weg. Er war insgesamt ein netter, jedoch recht trauriger Mensch.
Im Fernsehen lief eine Lottosendung. Es wurden gerade die Zahlen gezogen. Murka schnurrte grüßend um meine Füße. Ob er sich an den gestrigen Abend erinnerte?
Bellas Mutter bemerkte meinen Blick zum Fernseher.
„ Ja, der Papa! Er hat die Lottosendungen der letzten Monate aufgezeichnet und analysiert sämtliche Zahlen der letzten Jahre. Bjela hat dir das sicher erzählen.“ Sie lachte. „Er will die nächste Ziehung errechnen und hoffen immer noch den Verkauf unseres Hauses abwenden zu können. Aber hat noch nicht funktionieren, bis auf einen Dreier.“
Bellas Vater war ganz rot geworden.
„Ja, Alex, so ist das, wenn man einen Unfall hat. Keiner hilft wirklich. In der Schule erzählen sie, wie gerecht die Welt ist. Sie ist aber durch und durch hinterhältig. Wenn ich jedoch die Lottozahlen errechne, dann werden alle staunen und gleich wieder freundlich tun. Dann sollst du mal sehen, wie schnell die Bank das Schild aus dem Garten entfernt und uns hofiert.“
Er glaubte wohl daran. Seine Augen leuchteten in Vorfreude auf.
„Wird Ihnen das gelingen?“, fragte ich.
Ich wollte etwas mehr erfahren. Vielleicht eröffnete sich doch noch eine Möglichkeit, Bella hierzubehalten.
Ihr Vater reagierte sofort. Mein Interesse für sein wichtigstes Thema machte mich für ihn zum Sympathieträger.
„ Ob mir das gelingen wird`? Ich bin mir nicht sicher. Ich bräuchte mehr Zeit, da die Zusammenhänge sehr kompliziert sind. Die läuft mir leider davon.“
Auf dem Tisch lagen seitenlange Berechnungen. Mich interessierten sie aus verschiedenen Gründen: aus mathematischen Gründen, aus logischen Gründen, aber vor allem aus dem Herzensgrund. Ich wollte, dass Bella blieb.
„Kann ich mal sehen?“
Bellas Vater wurde eifrig. Es freute ihn sehr, dass endlich jemand seine Gedanken ernst nahm. Dagegen schüttelte die Mutter den Kopf und nahm Murka auf den Arm.
„Bei Tante Galina!“, rief sie aus. „Da kann ich mit meinen Träumen bessere Voraussagen machen als du mit deinen Analysen. Setzen nicht auch noch hübsche Jungen Läuse in den Kopf! Sonst verspielen er auch noch Geld.“
Ich zuckte zusammen. Den Namen kannte ich irgendwoher. Schon Cassy hatte von der Galina geredet, doch den Namen deutsch ausgesprochen.
„Wer ist diese Galina?“, wagte ich zu fragen. Warum zitterte meine Hand?
Die Mutter holte ein Bild.
„Unsere Urgroßtante, die nicht sterben will. Sie wartet angeblich noch immer auf ihren Liebhaber von einst.“
Sie lachte. „Das war angeblich ein junger Vampir!“
Mir knickten für einen Moment fast die Beine weg. Angstschweiß trat auf meine Stirn.
Ich wusste, dass ich diese Galina kannte und ich etwas mit ihr zu tun hatte. Mein Bein schmerzte plötzlich fürchterlich. Was bedeutete das alles?
Bei einem Seitenblick merkte ich eine Bewegung. Bella hatte uns von der Treppe beobachtet. Sie war jedoch verschwunden, noch bevor ich sie begrüßen konnte.
„ Du siehst plötzlich so blass aus!“, entfuhr es der Mutter erschrocken.
„ Der gestrige Abend steckt mir noch in den Gliedern“, log ich.
„ Musst du ihn auch mit der Galina verschrecken“, mischte sich der Vater ein. „Er interessiert sich doch für die Lotterie!“, riss er wieder das Thema an sich.
Die Mutter ging den Kopfschüttelnd davon.
Das mit den Zahlen klang sehr spannend. Es ging nur um die Voraussage, wie wahrscheinlich eine Ziehung war. Das dürfte lösbar sein. Ich regulierte mein Schmerzempfinden herunter, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Bellas Vater zeigte mir seine Aufzeichnungen und erklärte stolz:
„Ich habe sogar schon einen hervorragenden Logarithmus errechnet!“
Dieser war vom Grundsatz richtig, doch berücksichtigte er die Regeln der chaotischen Systeme nicht ausreichend. Warum sollte ich ihm nicht ein wenig helfen? Ein Lottogewinn würde dafür
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