Hexenblut
Tower lag am weitesten zurück. April Mather war dort vor zehn Jahren in den Tod gesprungen, und ein paar Fotos von diesem Ort mochten meinem Artikel das gewisse Etwas verleihen. Aber das war nicht alles, denn ich fühlte mich, als würde ich mir einen Wettlauf mit der Zeit liefern.
Der Turm war schnell gefunden, er war samt Zinnenkranz gut zehn Meter hoch, und er thronte majestätisch auf einem Hügel, der sich einem Buckel gleich aus dem Pendle-Tal erhob.
Ich musste über ein Tor klettern, ehe ich mich dem Turm nähern konnte. Dort angekommen, stellte ich fest, dass er nicht allzu breit war und gerade Platz genug bot für eine knapp bemessene Wendeltreppe, die hinaufführte zu einer bescheidenen Aussichtsplattform. Das Bauwerk wirkte auf mich wie eine riesige Schachfigur, die vom Himmel gefallen und auf diesem Hügel gelandet war. Auf der Plattform sah ich mich um und fand einen atemberaubenden Ausblick vor. Unter mir lagen Bauernhöfe und ein paar Häuser, die das nächstgelegene Dorf bildeten.
Ich machte Fotos und ein paar Notizen, mit denen ich meinen ersten Eindruck festhielt, als ich auf einmal jemanden etwas rufen hörte. Ein Quad näherte sich dem Turm, das Motorengeräusch wurde lauter, da es sich den stellenweise recht steilen Hügel hinaufkämpfen musste.
Der Fahrer stoppte das Quad und stieg ab. Nach seiner Miene zu urteilen, war er nicht hergekommen, um die Aussicht zu genießen.
»Was zum Teufel treiben Sie denn da?«
Der Mann war um die fünfzig und damit eigentlich längst zu alt, um noch ein Quad zu fahren, aber seine rosigen Wangen und die geröteten Knöchel ließen mich erkennen, dass er den größten Teil seines Lebens an der frischen Luft verbracht hatte.
»Ich mache Fotos«, antwortete ich mit Unschuldsmiene.
»Das ist Privatbesitz«, brüllte er mir zu.
Ich blickte mich suchend um. »Ich habe kein Schild gesehen.«
»Dann sollten Sie vielleicht die Augen aufmachen.«
»Ist das Ihr Land?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich helfe dem Eigentümer beim Aufpassen. Um diese Jahreszeit kommen die ganzen Verrückten her, die von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet sind, und wollen den Mond anheulen, oder was immer die tun.«
»Ich nehme an«, gab ich lächelnd zurück, »dass der Eigentümer ein wenig nervös ist, seit das mit April Mather passiert ist.«
Der Mann stutzte und sah mich argwöhnisch an. »Wer sind Sie?«
»Jack Garrett, Reporter. Ich schreibe an einem Artikel über den Turm.« Es war nur zum Teil gelogen, doch es musste sein, weil es noch zu früh war, jemanden auf die Story aufmerksam zu machen, an der ich tatsächlich arbeitete. »Erinnern Sie sich an den Vorfall?«
Er nickte bedächtig und überlegte, ob und was er dazu sagen sollte.
»War an ihrem Tod damals irgendetwas ungewöhnlich?«
»Nicht bei der Menge Augenzeugen«, meinte er und sah mich lächelnd an.
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich, während ich den Turm verließ.
»Na ja, es war Halloween, und das hat damals genau wie heute alle Spinner aus der Umgebung angelockt. Die meisten von denen machen sich auf den Weg zum Pendle Hill, aber ein paar verirren sich auch hierher. Und damals war an Halloween am Blacko Tower eine riesige Party.«
»Und April Mather? Kannten Sie sie?«
»Jeder kannte April Mather«, sagte er und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ihr Vater war hier in der Gegend eine große Nummer, und April schien es zu gefallen, ihren Alten Herrn gegen sich aufzubringen. Als sie vierzehn war, sah ich sie oft in den Pubs in der Umgebung. Niemand verlangte je ihren Ausweis, weil sie mit ein paar Bikern rumhing.« Er schüttelte abfällig den Kopf. »Diese Typen sind eine gefährliche Truppe, mit der man sich nicht anlegen sollte.«
»War sie nicht etwas zu jung für diesen Umgang?«
Er lachte leise. »Wenn eine Frau jung, attraktiv und auf Sex aus ist, dann interessiert es die meisten nur, ob sie nach dem Gesetz alt genug ist dafür. Und das war sie, als sie mit den Typen rummachte, wenn auch nur haarscharf.« Er beugte sich vor und redete leise weiter, als könnte uns hier draußen jemand belauschen. »Einmal führte die Polizei eine Razzia in einem Pub durch, weil der Wirt billiges Bier an Minderjährige verkaufte. Als sie den Laden betraten, lag April Mather auf dem Pooltisch, und von der Taille abwärts trug sie nichts anderes als einen haarigen Biker, von dem sie sich durchvögeln ließ, während die anderen Gäste johlten und sie
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