Hexenblut
eigentlich berichten sollte. April Mathers Tod war eindeutig ein Selbstmord gewesen, also ging es nur noch in drei Fällen um Mord. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es bereits kurz nach eins war. Dieser Tag verstrich einfach viel zu schnell.
Ich hatte eine Adresse und eine Wegbeschreibung für ein Haus an einer Landstraße, aber ich hätte fast die Abzweigung verpasst, da es nur ein kleines Hinweisschild gab, das vom hohen Gras fast verdeckt wurde. Als die Reifen über einen Weiderost rumpelten und das Motorengeräusch schließlich von Steinmauern zu beiden Seiten zurückgeworfen wurde, bekam ich das Gefühl, dass ich hier schon mal gewesen war.
Olwens Haus trug den Namen Tindale Cottage, der in großen weißen Lettern auf einem schwarzen Schild geschrieben stand, aber es gab keine Hausnummer. Das Gebäude bestand aus Erdgeschoss und erstem Stock, mit einer Veranda in der Mitte und Efeu, der sich an den Mauern in die Höhe rankte. Als ich aus dem Wagen stieg, da schabten meine Schuhsohlen über Steine auf dem Feldweg, und ich musste meine Augen abschirmen, da das feuchte Gras die Sonne reflektierte.
Ich wusste, ich war hier schon mal gewesen, und als ich die Felder rings um das Cottage absuchte, sah ich etwas, nur ein Glitzern, ein kurzes Aufblitzen im Gras. Ich lief aus dem Schatten des Hauses und kletterte auf eine Mauer, um besser sehen zu können. »Verdammt!«, fluchte ich und sprang von der Mauer. Ich war zurück am Sabden Brook, wo Rebecca Nurse gefunden worden war. Mein Blick folgte dem Verlauf der Landstraße bis zu der Stelle, an der ich tags zuvor angehalten hatte. Ich war jetzt nur aus der anderen Richtung gekommen, das war alles.
Ich betrachtete Olwens Haus, und mich beschlich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Warum hatte er das nicht am Abend zuvor erwähnt? Trieb er mit mir irgendein Spiel? Es musste problemlos möglich sein, die Leiche von seinem Haus zu der Stelle zu schaffen, wo sie später gefunden wurde.
Wieder entfernte ich mich vom Haus und ging in Richtung des schmalen Bachlaufs. Die Straße wirkte mit einem Mal geheimnisvoll und verborgen, da hohe Mauern den Blick auf sie versperrten.
Sabden Brook wirkte genauso wie tags zuvor, und als ich über die Mauer stieg, wackelten ein paar Steine, und ein wenig Mörtel löste sich. Ich erreichte die Stelle, an der man Rebecca gefunden hatte, kniete mich hin und berührte die Erde. Warum ich das tat, konnte ich mir nicht erklären. Vielleicht war es mein Wunsch, dem Ganzen mehr Realität zu verleihen, etwas zu berühren, das daraus mehr machte als nur eine Sammlung von alten Geschichten über Morde, die durch eine schwachsinnige Theorie miteinander in Verbindung gebracht wurden.
Das Moorgras fühlte sich so an, wie es aussah: robuste Halme, die sich leicht im Wind wiegten; ein Stück daneben befand sich der schmale Wasserlauf. Ich fühlte mich mit dem Tatort in keiner Weise verbunden, und statt großer Begeisterung verspürte ich eigentlich eher Enttäuschung.
Als ich hinter mir ein Rascheln im Gras hörte, wirbelte ich herum und entdeckte … Olwen, der nicht weit von mir entfernt dastand, die Hände auf dem Rücken verschränkt, während sein Pferdeschwanz im Wind wehte.
»Hat es Sie inspirieren können?«, fragte er.
»Was meinen Sie damit?«, gab ich zurück und überlegte, wie lange er mich wohl schon beobachtet hatte.
»Für Sie ist es nichts Besonderes, nicht wahr?«, sagte er. »Nur eine alte Geschichte, nur ein vergessener Mord auf einem Feld in Lancashire, nicht wahr?«
Ich deutete auf den Stein am Ufer. »Haben Sie das Symbol da reingekratzt?«
Er nickte. »Die Menschen vergessen zu schnell.«
»Warum haben Sie nicht erwähnt, dass Sie gleich neben dem Fundort der Leiche wohnen?«
Seine Augen funkelten. »In der Geschichte geht es nicht um mich.«
»Was verschweigen Sie mir sonst noch?«
»Nichts, was von Bedeutung wäre.« Bevor ich darauf etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: »Warum wollten Sie mich sprechen?«
»Berufsbedingte Höflichkeit«, erwiderte ich. »Ich war heute Morgen bei der Polizei und habe erzählt, was Sie mir berichtet haben.«
»Haben Sie meinen Namen erwähnt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich nenne meine Quellen nicht, das hatte ich Ihnen ja gesagt.«
»Vielen Dank.«
»Möchten Sie noch mehr wissen?«
Er hob abwehrend eine Hand. »Sie werden das getan haben, was Sie für richtig halten.«
»Und nun, Olwen?«
Der Mann lächelte mich an. »Heute ist Samhain, und wir werden für Sarah
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