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Hexenblut

Hexenblut

Titel: Hexenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil White
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anfeuerten und die Hosen runtergelassen hatten, um auch von ihr rangelassen zu werden.« Er schüttelte den Kopf. »Da war sie gerade siebzehn.«
    »Jetzt verstehe ich, wieso sie jeder kannte«, sagte ich. »Aber die April Mather, über die ich gelesen habe, war verheiratet und hatte ein Kind.«
    Voller Abscheu schürzte er die Lippen. »Sie war hier oben ziemlich kaputt«, meinte er und tippte sich an die Stirn. »Die Leute begannen, sich von ihr abzuwenden, weil es ihnen zu viel wurde. Sie fing was Ernsteres mit einem von den Bikern an, mit dem sie dann eine Werkstatt eröffnete, in der sie im Kundenauftrag Chopper zusammenbauten. Sie bekam einen Jungen, und für ein paar Jahre kam sie zur Ruhe. Dann begann sie jedoch wieder zu trinken, und das nicht zu knapp. Ein paarmal sah ich sie die Straße entlangtorkeln. Einmal wäre sie mir fast vor den Wagen gelaufen.«
    »Ach, sie hat hier in der Nähe gelebt?«
    »Ja«, antwortete er und zeigte auf ein altes Cottage dicht unterhalb eines nur ein paar hundert Meter entfernten Hügelkamms. »Deshalb kam sie auch hierher zum Turm. Ich schätze, sie bemerkte das Freudenfeuer, das hier brannte, und kam her, weil sie auf eine Party hoffte. Sie war schon betrunken, als sie hier auftauchte, und sie hatte Whisky mitgebracht.«
    »Klingt fast so, als wären Sie auch da gewesen«, sagte ich.
    »Das war ich auch«, gestand er mit einem ironischen Lächeln ein. »Und deshalb sorge ich heute dafür, dass die Leute sich von hier fernhalten, weil ich weiß, was ich damals gesehen habe.«
    »Und zwar?«
    »Eine sturzbetrunkene Biker-Braut, die nicht Herr über ihre Sinne war. Sie taumelte hin und her, sie brüllte und lallte, sie flirtete mit Männern und Frauen gleichermaßen. Einige Leute störten sich an ihrem Verhalten, und jeden anderen hätten wir auch sofort weggebracht. Aber keiner von uns wollte riskieren, dass sie mit einer Meute wütender Biker zurückkehrte, also ließen wir sie gewähren.«
    »Und wie ist sie gestorben?«, fragte ich.
    Sein Lächeln schwand, und die Erinnerung an Aprils Tod verdarb ihm sichtlich den Genuss daran, die Geschichte zu erzählen. »Irgendwann an dem Abend wurde sie wehmütig, so wie es bei Leuten üblich ist, die Whisky trinken. Sie heulte und jammerte, und sie erzählte, sie sei böse. Um den Turm herum hatte man ein Gerüst aufgebaut, um ihn zu renovieren, und gegen Mitternacht kletterte sie auf dem Gerüst nach oben. Dann zog sie sich aus und begann, uns alles Mögliche zuzurufen.«
    »Wie reagierten die Leute?«
    »Die meisten lachten, ein paar sagten, sie solle vorsichtig sein. Aber da waren wir auch schon alle betrunken. Wir wussten allerdings nicht, dass sie ein drei Meter langes Stück Draht mitgenommen hatte, das sie oben am Gerüst festmachte. Am anderen Ende lief das Stück in eine Schlinge aus, und der Draht wirkte wie eine Messerklinge. Sie stand am Rand des Gerüsts und hielt eine Ansprache, irgendetwas in der Art, sie könne tun, was sie wolle, solange niemand zu Schaden komme.« Er sah zu Boden und atmete tief durch. »Dann sprang sie.« Als er den Kopf wieder hob, erkannte ich den Schmerz in seinen Augen. »Sie hatte die Schlinge um den Hals gelegt, und der Draht trennte den Kopf vom Rumpf, als würde man einer Blume die Blüte vom Stiel reißen.«
    Ich nickte verständnisvoll, während ich versuchte, die Ruhe zu bewahren. Mein Verstand war damit beschäftigt, sich die Aussagen im Wortlaut zu merken. Das war jetzt nicht der richtige Moment, um den Notizblock zu zücken, und ich verfluchte mich dafür, dass ich mein Diktiergerät nicht eingeschaltet hatte.
    »Dann war es also eindeutig Selbstmord«, sagte ich fast mehr zu mir selbst.
    Der Mann nickte. »Wenn sie nicht von einer unsichtbaren Hand in die Tiefe gestoßen wurde, dann hat sie ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt.«
    Ich dankte ihm und ging den Hügel hinab, um mich meinem nächsten Ziel zuzuwenden. Dabei grübelte ich darüber nach, wie ein Selbstmord zu Sarah Goode und zu den anderen ermordeten Frauen passte. Plötzlich hörte ich, wie ein Motor angelassen wurde, und dann entdeckte ich über eine Hecke hinweg das Dach eines weißen Kombi, der auf der Landstraße davonfuhr.
    Ich rannte zurück zu meinem Wagen und sprang soeben über das Tor, als ich den Kombi um die nächste Ecke verschwinden sah.

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    I ch rief Olwen an, bevor ich zu ihm nach Hause fuhr. Ich war es ihm schuldig, ihn auf den neuesten Stand zu bringen, auch wenn ich mir nicht sicher war, was ich ihm

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