Hexenblut
erreichen sein.
Ich musste einen furchtbaren Eindruck machen, da die Frau hinter der Theke des Sekretariats erschrocken zurückwich.
»Katie Gray«, keuchte ich außer Atem. »Die Polizei wird Sie nach ihr fragen. Halten Sie ihre Akte bereit.«
»Warum sollte die Polizei ihre Akte haben wollen?«, fragte sie und sah zu dem Wachmann, der mir gefolgt war und sich uns näherte. Sie murmelte etwas von Datenschutz, aber etwas an meinem Blick und meinem Gesichtsausdruck musste ihr verraten haben, dass das nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich hinter Vorschriften zu verstecken.
Der Wachmann stellte sich neben mich, während sie zu tippen begann.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er die Sekretärin, ohne den Blick von mir zu wenden.
Sie hielt kurz inne, dann wandte sie sich an mich. »Wie wird Gray buchstabiert? Mit ›e‹ oder mit ›a‹?«
»Versuchen Sie beide Versionen«, entgegnete ich und merkte, dass ich unwirsch klang.
Inzwischen legte der Wachmann eine Hand auf meinen Unterarm und überlegte ganz offensichtlich, ob er mich nicht besser hinauswerfen sollte. Ich schüttelte seine Hand ab, und noch bevor er sich zu einem härteren Vorgehen entscheiden konnte, meldete sich die Sekretärin zu Wort.
»Es gibt keine Akte«, erklärte sie. »Wir haben keine Studentin, die Katie Gray, Kate Gray oder Catherine Gray heißt. Sind Sie sicher, dass sie hier eingeschrieben ist?«
Ich erwiderte, dass ich mir in gar keiner Hinsicht mehr sicher war, und verließ das Gebäude. Draußen angekommen, überlegte ich, was ich als Nächstes tun sollte. Ich wählte erneut Lauras Nummer, und wie zuvor meldete sich nur die Mailbox. War sie vielleicht zum Präsidium zurückgekehrt, um bei Olwens Verhör dabei zu sein?
Aber ich wusste, etwas stimmte nicht. Ich spürte es.
Geh zurück an den Anfang, so hatten Katies Worte gelautet. War das etwa ein Hinweis gewesen? Hatte sie die ganze Zeit über nur mit mir gespielt? Ich hatte an Mrs Goodes Worten gezweifelt, dass Sarah keine Untermieterin hatte, doch inzwischen war klar, dass Katie auch gar keine Studentin war.
Geh zurück an den Anfang … Aber was war der Anfang? Olwen war festgenommen worden, weil er eines der Opfer gefunden hatte. War das der Anfang? Trieben sie beide irgendein Spiel mit mir und mit der Polizei?
Ich musste an Olwens Liste denken. Rebecca Nurse. Sie war das erste Opfer, das er erwähnt hatte. Dort sollte ich anfangen und mich dann vorarbeiten.
79
D as Haus der Eltern von Rebecca Nurse war ein modernes Gebäude in Alleinlage. Es befand sich in Higham, einem kleinen Dorf, das ein paar Meilen vom Pendle Hill entfernt lag.
Angestellte hatten den Ort für sich entdeckt, der früher fest in der Hand der Landwirte gewesen war; der Zuzug hatte das Dorf schnell auf die doppelte Größe anwachsen lassen. Es lag in der Nähe der Autobahn, also günstig für Pendler, aber gleichzeitig abgeschieden genug, um den Bewohnern den Eindruck ländlicher Idylle vorzugaukeln.
Als ich mich der Haustür näherte, fiel mir auf, dass die Gardinen zugezogen waren. Die Türglocke spielte eine elektronische Melodie, die langsam und laut durchs Haus schallte. Eine ganze Weile geschah nichts, und gerade, als ich mich zum Gehen wenden wollte, sah ich hinter der Scheibe einen Schatten.
Eine schmale, blasse Frau um die fünfzig öffnete die Tür, ihr graues Haar war etwas zerzaust.
»Mrs Nurse?«, fragte ich.
»Ja?«, erwiderte sie unsicher.
»Mein Name ist Jack Garrett, ich bin Reporter«, stellte ich mich vor. »Ich schreibe einen Artikel über den Mord an Sarah Goode, und ich glaube, es könnte eine Verbindung zu Rebeccas Tod geben.«
Ihre Mundwinkel zuckten, als der Name ihrer Tochter fiel.
»Es tut mir leid, wenn ich so unangemeldet vor Ihrer Tür stehe. Aber ich würde gern wissen, ob Sie bereit wären, ein paar Fragen zu beantworten.«
Sie warf einen Blick nach hinten, und ich bekam das Gefühl, dass sie nicht allein war. Nach ein paar Sekunden ging sie nach drinnen, ließ die Tür jedoch offen, was ich als Einladung deutete, ihr Haus zu betreten.
Ich folgte ihr ins Wohnzimmer. Teppiche und Tapeten wiesen verschnörkelte Muster auf. Über dem Gaskamin hing ein großes gerahmtes Foto, ein junges Mädchen in Schuluniform. Das Gesicht war mir vertraut. Rebecca. Ich sah mich um und entdeckte weitere Fotos, die Rebeccas Kindheit und Jugend dokumentierten.
Dann bemerkte ich, dass Mrs Nurse mich beobachtete.
»Es ist nicht das, was Sie denken«, sagte sie leise.
»Woher
Weitere Kostenlose Bücher