Hexenblut
wissen Sie, was ich denke?«, gab ich zurück, bemüht um einen sanften Ton.
»Sie werden schreiben, dass das Haus wie eine Gedenkstätte für Rebecca aussieht.« Ehe ich etwas entgegnen konnte, redete sie weiter. »Aber so ist es nicht. Wir haben sie geliebt, müssen Sie wissen. Sie war unsere Tochter, ein ganz besonderer Mensch. Eine wunderschöne junge Frau. Diese Fotos würden auch da hängen, wenn sie heute noch leben würde.«
Ich nickte und lächelte sie entschuldigend an. Ich hatte verstanden.
»Wieso kommen Sie im Zusammenhang mit dem Mord an Sarah Goode zu uns?«, fragte sie. »Der Mann, der unsere Tochter ermordet hat, lebt nicht mehr.«
Es gab keine Möglichkeit, es schönzureden. »Möglicherweise ist das ein Irrtum«, sagte ich geradeheraus.
Ich sah, wie sie die Fäuste ballte. Tränen standen ihr in den Augen.
»Mack Lowther hat meine Tochter umgebracht«, erklärte sie leise. »Das weiß ich ganz sicher.«
»Woher?«
»Die Polizei hat es uns gesagt. Sie konnten es zwar nicht beweisen, aber sie waren fest davon überzeugt.«
»Und wenn sich die Polizei geirrt hat?«
Mrs Nurse ließ sich in einen Sessel sinken, während ich glaubte, ein Geräusch aus dem Hinterzimmer zu hören. Belauschte uns jemand?
»Es gab weitere Morde«, fuhr ich fort. »Die Polizei glaubt, dass der Täter, der gestern Sarah Goode getötet hat, auch der Mörder Ihrer Tochter ist.«
Einen Moment lang machte Mrs Nurse eine ratlose Miene und schaute zum Hinterzimmer. »Ich verstehe das nicht«, murmelte sie.
»Es sind weitere Frauen ermordet worden, Mrs Nurse«, wiederholte ich. »Und es sieht aus, als ob derselbe Täter dafür verantwortlich wäre, der Rebecca auf dem Gewissen hat.«
Sie wurde blass und wirkte so geistesabwesend, dass ich fürchtete, sie könnte jeden Moment ohnmächtig werden.
»Mrs Nurse? Geht es Ihnen nicht gut?«
Sie sah mich an, dann schaute sie wieder zu dem anderen Raum. »Würden Sie jetzt bitte gehen?«, fragte sie kopfschüttelnd.
»Mrs Nurse?«
»Auf der Stelle«, beharrte sie.
Ich kam ihrer Bitte nach, doch als ich vor dem Haus stand und über die Schulter blickte, wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Etwas von dem, was ich gesagt hatte, war für sie aufwühlender als erwartet gewesen. Und wer hatte sich in dem Hinterzimmer aufgehalten?
Ich zog meine Kamera aus der Jackentasche. Ich wollte wissen, wer uns belauscht hatte. Mit einem Blick zum Haus vergewisserte ich mich, dass mich niemand beobachtete, dann ging ich mit der Kamera in der Hand die Auffahrt entlang in Richtung Garten, vorbei an der Garage, deren Tor einen Spaltbreit offen stand. Ich spähte um die Ecke, um mich davon zu überzeugen, dass sich dort niemand aufhielt. Hier fand sich nur ein kleines Fleckchen Rasen sowie ein Gewächshaus aus weißem PVC. Zu sehen war niemand. Als ich mich zum Gehen wandte, fiel mein Blick auf etwas, das mir den Schweiß ausbrechen ließ.
Ich ging zur Garage und sah hinein. Sofort war mir klar, dass es der Wagen war. Der weiße Opel Astra Kombi, verbeult und schmuddelig. Das Kennzeichen endete auf DDA, also war das der Wagen, der mir in den letzten Tagen immer wieder gefolgt war. Bevor ich irgendetwas unternehmen konnte, hörte ich hinter mir eine Stimme.
»Was machen Sie denn hier, Mr Garrett?«
80
W utentbrannt stampfte Carson durch den Korridor. Olwen saß in seiner Zelle und wartete auf sein erstes Verhör. Die DNS-Proben waren durchgeführt worden, und jetzt tauchte auf einmal jemand auf, der ihm ein Alibi liefern wollte. Als Carson den Besprechungsraum betrat, deutete einer seiner Leute auf den uniformierten Polizisten, der sich ans Fenster gesetzt hatte. Er ging zu ihm und wollte ihn eben anschnauzen, da fielen ihm noch rechtzeitig die Rangabzeichen auf der Schulterklappe auf.
»Inspector«, sagte er, nachdem er sich gerade noch hatte bremsen können. »Was kann ich für Sie tun?«
»Hallo, Mr Carson.«
»Sind wir uns schon mal begegnet?«
»Ja, aber daran werden Sie sich vermutlich nicht mehr erinnern«, meinte der Inspector und winkte ab. »Ich war zu der Zeit noch etwas weiter unten in der Hierarchie, als Sie in die Stadt gewalzt kamen. Mein Name ist Rod Lucas, und wenn ich das richtig gehört habe, dann haben Sie Olwen wegen des Mordes an Sarah Goode festgenommen.«
Carson nickte und wartete, dass sein Gegenüber weiterredete.
»Ich weiß, wo Olwen gestern Abend war«, sagte Rod.
Zunächst zeigte Carson keine Reaktion, da er wusste, die Unterhaltung würde sich in
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