Hexenblut
Muskeln, durch den Stoff hindurch war seine breite Brust zu sehen. Ich stand auf und hielt ihm die Hand hin. »Callum, nehme ich an.«
Er ignorierte meine Hand.
»Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben«, ergänzte ich.
Er setzte sich hin und verschränkte die Arme.
»Ich vermute, Sie haben in der letzten Woche mit genügend Journalisten gesprochen«, versuchte ich einen Vorstoß.
Einen Moment lang schwieg er noch, dann entspannte er sich, und sein Blick verlor etwas von seiner Feindseligkeit. »Ich wüsste nicht, was einer von denen für ihn getan hat. Luke war ihnen nicht mal einen Satz wert, aber er war mein Freund.«
»Tja, ich schreibe nicht für die Tagespresse. Ich arbeite an einem kleinen Feature.«
»Über was?«
»Über Luke. Es soll ein Nachruf werden.« Ich bemühte mich, seinem Blick standzuhalten, damit er meine Lüge nicht durchschaute.
»Was wollen Sie wissen?«
Ich tippte mit dem Stift auf meinen Schenkel und fragte: »Warum fangen wir nicht mit Luke und Sarah an? Was für ein Paar waren die beiden?«
»Dafür müssten Sie schon zwei Artikel schreiben«, meinte er und grinste dabei.
»Wie meinen Sie das?«
»Die beiden waren kein Paar«, erklärte Callum.
Ich verstand noch immer nicht.
»Kommen Sie schon, Mann«, sagte er kopfschüttelnd. »Die beiden haben rumgevögelt, mehr war da nicht. Sind Sie schon so eingerostet?« Bevor ich etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: »Nehmen Sie’s nicht persönlich, aber Sie sehen nicht wie ein Mann aus, der auf der Pirsch ist.«
»Ich hatte den Eindruck, dass die beiden ein Paar sind«, entgegnete ich und sah an mir herab auf die alte Jeans und das ausgeleierte Sweatshirt aus dem letzten Jahr, das ich ein paarmal zu oft getragen hatte.
Callum schnaubte. »Das liegt nur daran, dass sie ihn umgebracht hat. Drehen Sie die Zeit mal ein paar Monate zurück, dann werden Sie sehen, dass Sarah nur eine von vielen Frauen war, mit denen er sich traf.«
»Also war das nur eine lose Beziehung?«, folgerte ich immer noch verwundert. Bei Katie hatte es nach einer stürmischen und leidenschaftlichen Affäre geklungen. »Lose? O ja, es war sogar sehr lose«, sagte Callum und lachte leise. »Zugegeben, Luke hat sie gemocht. Aber sie sah auch gut aus und hatte einen tollen Körper. Er hat sie in einem Club in der Stadt kennengelernt, und es schien, als würde jeder im Laden nur sie anstarren.«
»Eine gute Kerbe an seinem Bettpfosten?«
Callum zuckte ungerührt mit den Schultern. »Denken Sie mal an all die Frauen, mit denen Sie gern was gehabt hätten, und ich wette, es ist auch eine Lehrerin darunter. Die haben irgendwas an sich, nicht wahr? Die Disziplin, der Respekt.«
»Das mag was für Schuljungen sein«, gab ich zurück.
Callum blinzelte und erkannte die Anspielung. »Na, vielleicht werde ich in zehn Jahren auch so denken wie Sie«, erwiderte er.
Unwillkürlich musste ich grinsen. Diese Runde war an ihn gegangen. Dann erinnerte ich mich an den Toten, an das Messer in seiner Brust, und mir fiel ein, was ich von Katie gehört hatte. »Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass Sarah sich weitaus mehr davon erhofft hat als Luke?«
»Sie wusste, auf was sie sich einließ. Das wussten sie alle.« Jetzt grinste er, da er mich als das erkannt hatte, was ich war: in einer festen Beziehung. Gleichzeitig vermutete er aber offenbar, dass ich nur zu gern mit ihm getauscht hätte. Zugegeben, manchmal gefiel mir der Gedanke, wieder Single zu sein, doch das war so, als würde man auf den Sommer warten: Man rechnet mit Sonnenschein, und stattdessen regnete es die ganze Zeit über.
»Was meinen Sie mit ›sie alle‹?«, hakte ich nach.
Callum lachte amüsiert. »Er war Fitnesstrainer. Haben Sie eine Vorstellung, was das bedeutet?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Frauen im mittleren Alter versuchen, sich an ihre verflossene Jugend zu klammern, indem sie einen von uns buchen«, führte er aus. »Sie strengen sich an und kommen wieder in die Form, die sie mal als Teenager hatten. Und zwischendurch versuchen sie, uns zu verführen.«
»Und gelingt ihnen das auch?«
»Kommt drauf an. Einige von den Frauen sehen gut aus, und manchmal haben wir junge Frauen hier, die ein paar Schwangerschaftspfunde loswerden wollen. Unsere einzige Regel ist die, dass sie Single sein müssen. Wir wollen uns nicht mit wütenden Ehemännern herumschlagen.«
»Weil das schlecht fürs Geschäft wäre?«
»Sehen Sie mich nicht so an«, konterte er. »Wir kennen
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