Hexengold
nicht wahr, meine Liebe? Heute hier, morgen dort, das ist das Leben, das dir gefällt. Umso besser, dass du endlich einen Grund gefunden hast, das ungeliebte Frankfurt zu verlassen. Wo aber willst du hin? Etwa zu deiner Verwandtschaft nach Köln?«
Als handelte es sich um einen schlechten Witz, lachte Adelaide auf, stellte sich ans Fenster und betrachtete nun ebenfalls das Geschehen auf der Straße. »Dein Vetter wird sich bedanken. Erst muss er jahrelang deine Mutter durchfüttern, und dann tauchst ausgerechnet du bei ihm auf und forderst Hilfe. Dabei war er dir einst nicht gut genug zum Heiraten. Das wird er dir nicht verziehen haben. Was hat er dir letztens eigentlich in dem Brief geschickt? Das war doch nicht allein seine Antwort auf deine Frage nach der Hinterlassenschaft deiner Mutter?«
»Ein Wunder, dass du nicht längst in meinen Schubladen gewühlt und selbst nachgeschaut hast«, erwiderte Magdalena. »Meinen Vetter gibt es übrigens nicht mehr.« Sie sagte das in einem möglichst gleichgültigen Ton, räumte das Waschgeschirr vom Tisch, stellte eine der Kisten darauf und öffnete sie.
»Was? Seit wann weißt du das?« Adelaides Stimme bebte. Sie klang so verzweifelt, als wäre einer ihrer Verwandten gestorben. »Wer hat dir an seiner Stelle auf dein Schreiben geantwortet? Mit eigenen Augen habe ich gesehen, dass das Päckchen aus Köln kam.«
Magdalena entnahm der Kiste einen Stoß Papiere und wog sie nachdenklich in der Hand. Sie entschloss sich, sie Adelaide auszuhändigen. Seit der Begegnung mit den Gläubigern gab es keinen Grund mehr, langwierige Erkundigungen über die Zuverlässigkeit der Briefschreiberin einzuziehen. Sie musste ihr Glauben schenken und der Wahrheit ins Auge sehen. Eric war nicht nur ein weiteres Mal aus ihrem Leben verschwunden. Er hatte sie auch noch schamlos hintergangen und jahrelang belogen.
»Das ist die Antwort, die ich aus Köln erhalten habe«, erklärte sie. »Du hast sie mir zwar vorletzte Woche schon überreicht, leider bin ich erst nach Erics Abreise dazu gekommen, sie zu lesen. Eigentlich wollte ich noch prüfen, inwieweit man der Absenderin trauen kann. Doch das ist wohl nicht mehr nötig.«
»Lass sehen, meine Liebe.« Auffordernd streckte Adelaide die Hand nach dem Konvolut aus.
»Darin geht es nicht allein um den Tod meines Vetters«, fuhr Magdalena fort und spürte, wie ihr nun doch Tränen in die Augen traten. Verärgert wischte sie sich mit den Handrücken über die nassen Wangen und hob den Blick, um Adelaide anzuschauen. »Eric hat uns nicht alles erzählt, was er in den letzten Jahren getan und geplant hat. Das betrifft nicht nur die Geschichte mit den Gläubigern aus Mainz.«
»So?« Verblüfft zog Adelaide die Augenbraue nach oben und schwankte, was sie als Erstes tun sollte, den umfangreichen Brief aus Köln lesen oder Magdalenas Schilderung von Erics Untaten lauschen. Sie entschied sich für Letzteres und nickte Magdalena aufmunternd zu.
»Schon vor einigen Jahren hat Eric damit begonnen, mir Nachrichten vorzuenthalten. So hat er mir verschwiegen, dass mein Vetter in Köln wenige Wochen nach dem Tod meiner Mutter gestorben ist. Das hat uns seine Frau damals geschrieben, Eric hat mir diesen Brief allerdings nie gezeigt. Du kannst dir denken, wie erstaunt sie war, als ich letztens abermals an den Toten geschrieben habe. «
»Ja, und?« Adelaide hatte sich mehr erhofft. Wann Magdalena vom Tod des ihr unbekannten Vetters erfahren hatte, spielte für sie keine Rolle. Die Empörung über Erics Heimlichtuerei konnte sie nicht nachvollziehen.
Ungeduldig rüttelte Magdalena die Base am Arm. »Die Sache ist doch offensichtlich!« Vor Aufregung überschlug sich ihre Stimme. »In dem damaligen Brief befanden sich außer der Todesnachricht auch Unterlagen aus dem Nachlass meiner Eltern. Du erinnerst dich, mein Vater stammte aus einer Königsberger Kaufmannsfamilie und hat nach einem Streit mit Erics Vater seine Heimat verlassen. In den Papieren meiner verstorbenen Mutter fanden sich Belege, die ihn und damit letztlich mich als alleinige Erben des Königsberger Besitzes ausweisen.«
»Jetzt wird mir alles klar.« Allmählich fügte sich auch für Adelaide ein Teil zum anderen. »Erzähl weiter!«
»Du wirst es kaum glauben.« Magdalena musste schmunzeln, auch wenn ihr immer noch die Tränen in den Augen standen, erschien ihr das Folgende doch wie ein Wink des Schicksals. »Dabei handelt es sich um einen angesehenen Handel mit Bernstein. Ist das nicht ein
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