Hexengold
von Herzen gegönnt, dass dir die Bekanntschaft erspart geblieben wäre.« Sie berührte Magdalena am Arm, dann wandte sie sich direkt an die Eindringlinge: »Nach dem Anlass Eures Besuchs brauche ich wohl nicht erst zu fragen. Da der Hausherr vor wenigen Tagen abgereist ist und damit kein männlicher Beistand zur Verfügung steht, kann ich mir bereits denken, warum Ihr gekommen seid.«
»Vielleicht gibst du den Herren wenigstens die Möglichkeit, sich mir ordentlich vorzustellen«, fuhr Magdalena spitz dazwischen. »Noch weiß ich bedauerlicherweise nicht, mit wem ich es zu tun habe. Dabei haben die Herren mich gleich mit Namen angesprochen und seit dem Weinmarkt auf Schritt und Tritt begleitet.«
»Da erzählst du mir nichts Neues. Das entspricht der Erfahrung, die ich mit ihnen habe.« Nacheinander musterte Adelaide den aschblonden Gruber, Schlüter mit den hellbraunen Haaren, der den Wortführer gab, sowie den militärisch aufrechten Castorp. Es schien, als wäre das unleidige Zusammentreffen mit den dreien drüben in der Sandgasse erst am vorigen Tag gewesen. Selbst die auffälligen Rheingrafenhosen Schlüters und Grubers nebst den bunten Schluppen und ihren modischen Hemden waren dieselben geblieben. Auch Castorp trug die gewohnten Stulpenstiefel mit den eng sitzenden Kniebundhosen. Die Ledermappe klemmte unter seinem Arm.
Als wollte Schlüter ihre Beobachtungen bestätigen, setzte er zum Kratzfuß an. Adelaide gönnte ihm jedoch nicht die Gelegenheit, Luft zu holen und das Wort zu ergreifen. Sie war schneller, stellte sich zwischen Magdalena und die modisch gekleideten Herren und erklärte: »Das sind die Herren Schlüter, Castorp und Gruber aus Mainz.«
Sie hielt inne, um die Namen auf die Base wirken zu lassen. Dessen hätte es nicht bedurft. Magdalenas Nasenflügel bebten, die smaragdgrünen Augen zeigten Anzeichen von Erschrecken. Ihr musste ebenfalls die Szene vom letzten November vor Augen stehen. Damals hatte Adelaide Magdalena und Eric von dem schicksalhaften Besuch der Herren berichtet, und Eric hatte eingestanden, von Vinzents verlustreichen Alleingängen und den Schulden gewusst zu haben. Die volle Wahrheit war das wohl auch nicht gewesen. Er hatte nicht nur von Vinzents Schwierigkeiten gewusst, sondern sich ebenfalls den drei unbarmherzigen Halsabschneidern ausgeliefert. Bittere Enttäuschung erfasste Adelaide, gleichzeitig beruhigte es sie zu erfahren, dass Vinzent nicht allein so unvorsichtig gewesen war.
Von widerstrebenden Gefühlen zerrissen, setzte sie die Vorstellung der Fremden fort: »Wie Eric und der gute Vinzent bezeichnen sie sich als ehrbare Kaufleute. Dabei wird sich erst zeigen müssen, inwieweit sie dieser Bezeichnung gerecht werden. Mir und meinem Sohn jedenfalls haben sie das Haus von einem Tag auf den anderen genommen. Du erinnerst dich, meine Liebe? Glücklicherweise habt Eric und du uns Hilfe gewährt und uns bei euch aufgenommen. Es sind zum Glück nicht alle Kaufleute solche Unmenschen wie diese drei!«
Das Säuseln ihrer tiefen Frauenstimme hatte sich urplötzlich in Schärfe verwandelt. Anklagend richtete sie den Zeigefinger auf die Herren. Die aber verharrten reglos und schauten lächelnd stur geradeaus.
»Sieh, der verehrte Herr Castorp trägt die nämliche Ledermappe wie letzten November bei sich«, wies sie Magdalena auf den rechts stehenden Grauhaarigen hin und zupfte mit spitzen Fingern an der Mappe. »Wahrscheinlich wird er gleich einige Papiere daraus hervorziehen, sie aufs Pult legen und dich bitten, sie genau zu studieren. Es wird sich um Schuldscheine handeln, die dein Mann eigenhändig unterzeichnet hat. Demnach wird er sich bis zum letzten Ersten zur Rückzahlung einer hohen Summe verpflichtet haben. Da dies nicht geschehen ist, wirst du bis heute Abend Haus und Hof zusammen mit dem Gesinde an diese drei ehrenwerten Herrschaften übergeben. Was dann damit geschieht, kannst du drüben in der Sandgasse bewundern: Sie werden es abreißen und ihren Wünschen gemäß vollständig neu aufbauen.«
Sie hatte ihre Runde um die Herren beendet und kam wieder vor ihnen zu stehen. Sie schürzte die roten Lippen und schaute einem nach dem anderen lange ins Gesicht. Auch das entlockte ihnen keinerlei Regung. Sie konnte warten. Ruhig blieb sie stehen.
Die Stille lag schwer im Raum. Von der Straßenseite drangen die üblichen Alltagsgeräusche herein: das Rattern von Rädern auf dem Pflaster, das Rufen der Gesellen an der Mehlwaage, das schrille Zetern der Frauen und
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