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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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das übermütige Schreien der Kinder. In der Diele schepperte es. Vermutlich hatte die törichte Mechthild einen Kupferkessel fallen lassen. Kurz darauf ertönte Hedwigs aufgebrachte Stimme, die mit der ungeschickten Magd schimpfte. Als wäre das ein Zeichen, rührte sich Magdalena und streckte Castorp fordernd die Hand entgegen. »Lasst mich die Schuldscheine sehen! Mit eigenen Augen möchte ich mich davon überzeugen, dass meine Base recht hat.«
    Castorp kam der Bitte nach. Wortlos nahm Magdalena die Unterlagen in die Hand und trat damit vors Fenster. Selbst auf die Ferne fand Adelaide ihre Vermutung bestätigt: Eindeutig handelte es sich um Schuldscheine Erics. Das schwere Siegel zeugte von dem offiziellen Charakter des Papiers. Prüfend hielt Magdalena die Seiten gegen das Licht und studierte sie aufmerksam. Die Besucher ließen sie schweigend gewähren.
    »Und?« Adelaide trat dicht an sie heran und warf über ihre Schulter hinweg ebenfalls einen Blick auf die Dokumente. Sie waren genauso makellos wie diejenigen, die man ihr im letzten Herbst als Schuldscheine Vinzents präsentiert hatte. Nichts war radiert oder weggekratzt. Lediglich beim Datum fand sich ein dunkler Fleck über der letzten Ziffer, aber auch das erwies sich bei genauerem Hinsehen als Fehler im Papier und nicht als Korrektur oder Radierung. Siegel und Unterschrift stammten eindeutig von Eric. Die Art, Ober- und Unterstriche in die Länge zu ziehen, war charakteristisch.
    Magdalena ließ die Blätter sinken und ging dicht an ihr vorbei zu den Besuchern zurück. Dabei hielt sie sich sehr aufrecht, was sie größer und stärker wirken ließ, als sie tatsächlich war. Die roten Locken trug sie ordentlich aufgesteckt, die blasse Haut schimmerte matt. Auch den smaragdgrünen Augen fehlte es sichtlich an Glanz. Dennoch sprach sie mit fester Stimme. Kein Beben verriet, in welch erbärmlichem Gemütszustand sie sich befinden musste. Offen sah sie Schlüter als dem Anführer der drei Herrschaften in die Augen. »Dann werden wir also bis heute Abend unsere persönlichen Besitztümer packen und das Haus verlassen. Ihr könnt gewiss sein, dass wir uns strikt an die Abmachungen halten.«
    Sie nickte Castorp und Gruber zu, schenkte Adelaide ein Lächeln und verließ das Kontor.
    Verblüfft starrte Adelaide die geschlossenen Türflügel an, hinter denen Magdalena verschwunden war. Die gefasste Reaktion ihrer Base schien ihr unbegreiflich, auch wenn sie selbst sich damals nicht anders verhalten hatte. Nie und nimmer hätte sie Magdalena zugetraut, genauso kaltblütig zu handeln. Eine Frau, die gerade erfahren hatte, dass ihr Gemahl sie schändlich hintergangen und obendrein auch mutterseelenallein in einer ungeliebten Stadt zurückgelassen hatte, ging nicht hoch erhobenen Hauptes davon. Die hatte zu toben, zu schreien und zu zetern, sich gegen den Rauswurf zu wehren und die dreisten Gläubiger des Hauses zu verweisen.
    Adelaide begriff und schluckte. Magdalenas Auftritt hieß nichts anderes, als dass sie bereits auf Erics Trug vorbereitet gewesen war. Ihr Blick begegnete dem Schlüters. Auch der Anführer der drei Mainzer Kaufleute wirkte verblüfft.
    »Ihr wisst, was zu tun ist. Das Packen ist Euch nicht fremd. Bis heute Abend, Verehrteste!« Schwungvoll setzte Schlüter den Hut auf, stieß Gruber und Castorp an und ging mit ihnen zusammen hinaus.
    Adelaide trat an das Regal und griff nach den Unterlagen, die Griesebeck ihr vorhin überlassen hatte. Sie stand bereits in der Tür, als ihr etwas einfiel.
    Rasch eilte sie zur Wand. Mit einem lauten Ratsch riss sie die Landkarte mit den gekennzeichneten Handelsorten von der Wand. Als das schwere Papier auf dem Boden lag, hob sie den Rock und sprang beidfüßig darauf. Wie ein wild gewordenes Tier trampelte sie darauf herum, bis es in Fetzen lag. Sie versetzte dem Wust einen letzten Tritt und ging zufrieden hinaus. In diesem Augenblick wusste sie: Nie mehr in ihrem Leben würde sie einen Fuß in ein Kontor setzen.

24
    Die beiden Kammern, die ihnen der Wirt des Weißen Ochsen in Sachsenhausen zugewiesen hatte, erwiesen sich als überraschend geräumig. Selbst die beiden großen Truhen und die drei kleineren Kisten, in denen sie ihre Habseligkeiten verstaut hatten, fanden noch Platz.
    Magdalena atmete erleichtert auf, als sich die Tür hinter dem redseligen Mann endlich geschlossen hatte. Adelaide, Carlotta und sie waren zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in dem Gasthaus auf dem jenseitigen Ufer des Mains vor gut

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