Hexengold
willkommener Zufall? Außerdem wurden in den Papieren die Ursachen des Streits zwischen Eric und meinem Vater erklärt. Das wollte Eric mir wohl nicht zeigen, weil es zu schmerzlich für ihn war. Also hat er einfach alles an sich genommen und mir nie davon erzählt.«
»Unfassbar!« Adelaide legte den Brief beiseite und löste das aufgesteckte, schwarze Haar. »Es gibt wohl noch einen Grund, warum er die Briefe an sich genommen hat«, sagte sie ruhig.
»Ja?« Gespannt betrachtete Magdalena sie. Sie hatte also gleich begriffen, was der eigentliche Grund für ihr Zögern war, von Erics Versäumnis zu erzählen.
»Als dein angetrauter Ehemann kann er für dich allein das Erbe dort oben antreten. Er gilt als dein rechtmäßiger Vertreter. Ohne sein Einverständnis wirst du jedoch nie die Nachfolge als Bernsteinhändlerin übernehmen dürfen.«
»So ist es.« Magdalena nickte. Adelaides dunkle Augen ruhten auf ihr. Sie zwang sich, den Blick zu erwidern. Der starke Kontrast zwischen Adelaides schwarzem Haar und der blassen Haut kam in dem fahlen Abendlicht besonders gut zur Geltung. Magdalena musste neidlos anerkennen, wie eindrucksvoll die Base aussah. Ihr Mund wurde trocken. Sie wollte zum Tisch und sich einen Becher Wein einschenken, da bemerkte sie, dass Carlotta wieder dort stand. Unbemerkt von ihnen beiden war sie in die Kammer zurückgekehrt.
Noch bevor Magdalena überlegen konnte, wie viel ihre Tochter von dem Gespräch gehört hatte, ergriff das Mädchen das Wort. »Vater hat noch etwas anderes an sich genommen und niemandem gezeigt …«
»So?« Adelaides Antlitz gewann vor Neugier an Farbe. »Was hat er denn noch?«
»Onkel Vinzents Päckchen von diesem anderen Vetter, dem aus Schweden, den Mutter auch schon aus dem Krieg kennt. Erinnert ihr euch?«
»Welches Päckchen?« Magdalena starrte die Tochter an. Dann begriff sie. »Woher weißt du das? Hast du etwa seine Sachen durchsucht?«
Carlotta zuckte zusammen. Ihre Wangen färbten sich rot. Kaum konnte sie ihrer Mutter in die Augen sehen. Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: »Niemals würde ich so etwas tun!«
»Und was war letztens mit meiner Wundersalbe?«
Carlotta errötete noch mehr. »Das tut mir leid, das weißt du«, hauchte sie. »Das Päckchen aber haben Mathias und ich zufällig in der Sandgasse gefunden. Onkel Vinzent hat es dort im Hinterhaus unter den Holzbohlen versteckt. Vater hat sich riesig gefreut, als ich es ihm gebracht habe.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Adelaide verschränkte die Arme vor der Brust. »Wahrscheinlich steht darin noch mehr über lukrative Erbschaften im hohen Norden. Die Familien der drei Vettern sind weit verzweigt. Wenn die Aussicht auf das große Geld winkt, ist es kein Wunder, dass Eric Feuchtgruber und die anderen für eine Reise nach Preußen begeistern konnte. Griesebeck hat mir heute übrigens die Notizen gebracht, die belegen, dass sie tatsächlich dorthin unterwegs sind.«
»Wunderbar!« Magdalena strahlte auf einmal gut gelaunt über das ganze Gesicht. »Endlich wissen wir, was zu tun ist.«
»Was?« Wie aus einem Mund entfuhr Adelaide und Carlotta die Frage.
Magdalena lachte sie an. »Das ist doch klar: Wir reisen ebenfalls nach Königsberg!«, rief sie aus.
»Das ist nicht dein Ernst.« Adelaide wirkte wie versteinert, Carlottas Wangen glühten. Sie klatschte vor Freude in die Hände und wirbelte durch die Kammer. »Fein! Endlich komme ich aus Frankfurt raus. Wann geht es los?«
»So schnell wie möglich. Am besten mit der erstbesten Reisegelegenheit.« Die Aussicht, etwas tun zu können, verlieh Magdalena neue Kräfte. Sie fühlte sich wie ausgewechselt. Die unterschiedlichsten Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Es gab so vieles, was zu bedenken und zu erledigen war.
»Das ist doch sinnlos.« Kopfschüttelnd schaute Adelaide von oben auf sie herab. »Eric wird lange vor uns in Königsberg eintreffen und als dein Ehemann das Erbe beanspruchen. Du als Frau kannst nichts dagegen ausrichten. Sieh der Wahrheit ins Gesicht: Nach Strich und Faden hat unser guter Eric dich belogen und betrogen, um ohne dich in Königsberg den Bernsteinhandel zu erben. Er ist nicht mehr der hehre Held aus dem Großen Krieg, den du kennst und liebst.«
»Wer von uns ist schon tatsächlich derjenige, den wir zu kennen meinen?« Magdalenas Worte klangen fest und entschlossen »Das ändert nichts an unserer Liebe. Niemals!«, fügte sie leise hinzu und umfasste den Bernstein.
Adelaide trat einen Schritt
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