Hexengold
beiseite. Trotzig entgegnete sie: »Wie stellst du dir dein Vorgehen in Königsberg vor? Willst du vor Eric auf die Knie fallen und ihn anflehen, zu dir zurückzukommen, um dein Erbe mit dir zu teilen? Vergiss nicht, er braucht dich nicht, um an den Besitz zu gelangen. Du aber musst ihn bitten, für dich beim Rat der Stadt vorzusprechen. So tief würde ich nie vor einem Mann sinken, erst recht nicht vor einem, der mich so hintergangen hat wie er dich.« In vertrauter Manier reckte sie die Nase in die Höhe. Die roten Lippen zogen sich zusammen.
»Du kannst dir den Anblick natürlich gern ersparen und hierbleiben. Die lange Reise ins Ungewisse musst du dir wirklich nicht antun.« Magdalena ging zu einer der großen Reisetruhen und begann, den Inhalt durchzusehen.
»Du willst uns also nicht dabeihaben«, stellte Adelaide fest.
Die Enttäuschung klang echt. Das rührte Magdalena. Langsam legte sie das Leinzeug zurück in die Truhe und richtete sich auf. Es bedurfte nicht viel Vorstellungskraft, sich auszumalen, wie Adelaide und Mathias binnen weniger Wochen nicht nur völlig mittellos, sondern auch bar jedweden Beistands am Rand der Stadt ihr Dasein fristen würden. Das hatten sie nicht verdient. Magdalena entsann sich des Morgens in der Judengasse, als sie gemeinsam mit Adelaide auf die Idee verfallen war, nach Köln zu schreiben. Auch die vielen Stunden, die sie seither gemeinsam auf dem Trockenspeicher oder beim Anrühren von Pasten Schulter an Schulter im Kontor verbracht hatten, standen ihr vor Augen. Mehr als ein Mal hatte sie das Gefühl gehabt, endlich zum wahren Kern der Base vorzudringen. Und der war nicht von Grund auf verdorben. Base war eben doch nicht gleich Base. Adelaide erwies sich der Familienbande weitaus würdiger als die verstorbene Elsbeth, die immerhin die Tochter der Schwester ihrer Mutter gewesen war.
»An mir liegt es nicht«, verkündete Magdalena laut. »Ich freue mich, wenn du und Mathias uns begleitet.« Sie lächelte Adelaide an. Noch bevor die sich wundern konnte, erklärte sie hastig: »Auch wenn du nie im Tross gelebt hast, wirst du bald Gefallen am Reisen finden. Das Wichtigste ist, schnell an Geld zu kommen. Morgen schon werde ich zu Apotheker Petersen gehen und mich mit ihm besprechen.«
»Was gibt es mit ihm zu bereden?« So ganz hatte Adelaide noch nicht erfasst, was Magdalena vorhatte.
»Was wohl? Die Idee stammt doch von dir: Ich werde ihm einige meiner Rezepturen verkaufen, außerdem das Einverständnis, Meister Johanns Wundersalbe nachzumischen. Dafür wird er mir zumindest so viel Geld geben, dass wir uns eine ordentliche Reiseausstattung besorgen können. Du solltest derweil in Erfahrung bringen, wann die nächste Gesellschaft nach Norden aufbricht. Da bald die Leipziger Ostermesse beginnt, sollten wir schnell Anschluss finden. Allein können wir als Frauen schließlich nicht losreiten. Und Mathias reicht uns noch nicht als männlicher Begleitschutz.«
»Wäre es nicht das Einfachste, du bietest Morel oder Finkelstein deinen Bernstein an? Die werden dir gewiss mehr dafür zahlen als Petersen für all deine Rezepturen zusammen.« Allmählich erwachte auch die Base aus der Starre. »Meinen Rubinring werde ich wohl auch opfern.«
»Niemals werde ich den Bernstein hergeben! Er begleitet mich seit bald dreißig Jahren.« Wie zur Bestätigung angelte Magdalena nach dem kostbaren Stück, zog es unter dem Mieder hervor und betrachtete es versonnen im Licht der untergehenden Abendsonne. »Nur mit dem Stein ist sicher, dass ich Eric wirklich wiederfinde.«
»Du weißt doch, dass du ihn in Königsberg treffen wirst. Welchen Sinn hat der Stein also überhaupt noch? Oder glaubst du wirklich all die Dinge, die Hedwig so von sich gibt?« Verächtlich schnaubte Adelaide durch die Nase.
Carlotta schaute verständnislos auf die Mutter.
»Du wirst nie begreifen, was echte Liebe wirklich bedeutet.« Bedauern erfasste Magdalena. Nachdenklich ging sie in die angrenzende Kammer hinüber.
[home]
Zweiter Teil
Die Reise
FRANKFURT AM MAIN – THORN
Frühjahr 1658
1
A uch am siebzehnten Tag der Reise hatte das stete Rumpeln des Fuhrwerks noch dieselbe Wirkung auf Carlotta wie am ersten. Kaum befanden sie sich eine halbe Stunde hinter Gotha, fielen ihr die Augen zu. Ganz selbstverständlich kippte ihr Kopf auf Magdalenas Schulter. Weder störte es sie, dass eins der Räder hin und wieder in einem Schlagloch einsank und den Wagen in Schieflage brachte, noch beeinträchtigte sie die
Weitere Kostenlose Bücher