Hexengold
fiel ihr schwer, dieses Gehabe zu ertragen. Überrascht machte Pohlmann Platz, wandte sich aber sofort wieder Adelaide zu. Auch Helmbrecht vermochte dem Blick auf den so offenherzig dargebotenen Busen nicht zu widerstehen. Seine Bernsteinaugen saugten sich regelrecht daran fest, die Narbenwülste röteten sich. Pohlmann entfuhr ein Seufzer, sein Kutscher fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Adelaide tat, als spürte sie das alles nicht. Letztlich war es genau die Reaktion, die sie herausgefordert hatte. Mit schräg gelegtem Kopf warf sie Helmbrecht einen schmachtenden Blick zu.
»Glaubt Ihr, mein Lieber, ich kann heute noch irgendwo in einen Zuber steigen? Das lange Sitzen bereitet mir großes Ungemach.« Zur Bestätigung drückte sie die Hände in den unteren Teil des Rückens und schob die Hüften heraus. Dabei stieß sie wie zufällig gegen seinen Unterleib. Gequält sog er die Luft ein. Die Pein stand ihm ins Gesicht geschrieben. Dennoch bemühte er sich, Haltung zu bewahren.
Magdalena wandte sich ab und begegnete Carlottas Blick. Die Kleine dachte offenbar an dasselbe wie sie: an Adelaides Erfurter Auftritt. Ob das dunkle Mal auf dem Rücken der Base nach wie vor gut zu erkennen war? Unwillkürlich schüttelte Magdalena den Kopf und schaute in die Runde der Mitreisenden. Auch die Fuhrleute gafften mit aufgerissenen Augen und offen stehenden Mündern Adelaide an. Die dumpfen Gespenstergeschichten waren vergessen.
Ein dumpfes Poltern ließ sie alle zusammenzucken. Aufgebrachtes Flügelschlagen folgte. Eine Handvoll Schwalben stob aus einer Luke im Giebel des Gasthauses auf. Das wirre Zwitschern tönte schrill in den Ohren. Im nächsten Moment tauchten die Köpfe der drei Damen unter der Plane auf.
»Was war das?« Beistand suchend schmiegte sich Adelaide an Helmbrecht und zwang ihn, den Arm schützend um sie zu legen. Schon presste sie das Gesicht gegen seine Brust. Aufmerksam wanderte sein Blick über die nähere Umgebung. Die Vögel waren verschwunden. Eine unheimliche Stille kehrte ein. Es knackte metallisch. Die Bewaffneten brachten die Gewehre in Anschlag. Nervös tänzelten die Pferde auf der Stelle, von den Reitern durch leises Flüstern beruhigt. Carlotta tastete nach Magdalenas Hand. Magdalena drückte sie sanft. Trotz der Anspannung war sie sicher, dass nichts Schlimmes geschehen würde.
Eine Zeitlang starrten sie alle stumm auf das Gebäude. Plötzlich lachte Magdalena laut auf und deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Dachfirst, wo eine gestreifte Katze herumturnte. Offenbar hatte sie einen Ast losgetreten, der über das schräge Reet zu Boden gerutscht war. Sein Aufprallen auf dem gestampften Boden vor dem Haus musste das Poltern verursacht haben. Die anderen stimmten befreit in das Lachen ein und wechselten erleichterte Blicke. Zufällig trafen sich die Magdalenas mit denen Helmbrechts. Abrupt nahm er die Hand von Adelaides Schultern. Blässe überzog seine wulstigen Wangen. Magdalena schmunzelte. Helmbrecht hüstelte verlegen in die Faust und erklärte mit heiserer Stimme: »Lasst uns aufbrechen. Bevor uns noch mehr herrenlose Katzen in Angst und Schrecken versetzen, sollten wir fort von hier. Noch ist es hell genug, um eine andere Herberge zu finden.«
»Ihr habt recht.« Beifällig rieb sich Pohlmann das Kinn. Sein dichtes, dunkelblondes Barthaar knisterte. »Dieses seltsame Fleckchen Erde will ich weder meiner zarten Gemahlin noch meiner armen Mutter länger als nötig zumuten. Komm!« Er winkte seinen Kutscher herbei. »Wir schauen, ob unsere Damen den Halt gut überstanden haben.«
Ohne sich um Helmbrecht oder die anderen aus der Gruppe weiter zu kümmern, ging er zu seinem Wagen zurück und kletterte unter die Plane. Die aufgebrachten Stimmen verrieten, dass ihm die Frauen größte Vorhaltungen machten.
»Auf geht’s!« Helmbrecht nickte seinen Leuten zu, und jeder nahm seinen Platz im Zug wieder ein. Adelaide jedoch suchte noch einmal Helmbrechts Nähe. Überrascht wich er zurück und hob abwehrend die Hände.
»Was ist mit Euch?« Sie zog die Stirn kraus. Da erst wurde ihm sein Missgeschick bewusst, und er verneigte sich mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck. »Verzeiht, aber ich war bereits ganz in Gedanken. Wir müssen los. Es ist den verehrten Damen wirklich nicht zuzumuten, die Nacht in einer solch unwirtlichen Gegend zu verbringen.
»Danke Euch, mein Lieber«, sagte Adelaide mit einem süßsauren Lächeln. Ihr Blick streifte Magdalena. »Ihr seid wie
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