Hexengold
dem Toten zu Lebzeiten übel mitgespielt hat. Es hat sich herausgestellt, dass einer der Knechte aus dem Gasthaus seit jener Nacht mit dem Toten im Baum abgängig gewesen ist. Nie mehr ist er aufgetaucht. Der Wirt aber soll ihn vor seinem Verschwinden kräftig durchgeprügelt haben.«
»Da muss man sich also wirklich nicht wundern, dass er hinterher Blut an den Händen gehabt hat.« Rudolf zeigte sich mit der Erklärung zufrieden und klopfte Karl anerkennend auf die Schultern.
Über seinen Worten waren alle still geblieben. Aus den Augenwinkeln erspähte Magdalena sogar das schmale Gesicht der jungen Pohlmann, das verschämt unter der Plane des Fuhrwerks hervorsah. Ein Rumpeln im Wageninnern zeugte davon, dass auch ihre Schwiegermutter und Hanna in Positur gerutscht waren, um der Geschichte lauschen zu können.
»Jedenfalls ist mir jetzt klar«, meldete sich Pohlmanns Fuhrmann schließlich doch noch einmal zu Wort, »warum das Gasthaus geschlossen ist. Nach der Geschichte wollte ich hier freiwillig keine Nacht mehr verbringen.«
»Ja, so ist es mir auch ergangen, als ich zum ersten Mal davon gehört habe«, pflichtete Karl ihm bei. »Als ich zum letzten Mal hier war, war es Herbst. Grau und kalt war es da. Wenn ihr die vielen Fließe, Seen und Kanäle anschaut, könnt ihr euch vorstellen, wie dick der Nebel hier hängt. Da siehst du kaum deine eigene Hand mehr vor Augen. Als mir einer die Geschichte erzählt hat, bin ich noch im Dunkeln auf meinen Kutschbock geklettert und weitergefahren. Schließlich habe ich keine Lust, von dem Wirt mit dem Blut an den Händen Branntwein eingeschenkt zu bekommen. Noch weniger will ich einem Halbtoten über den Weg laufen oder gar selbst dort drüben in den Hexenbuchen enden. «
Mit jeder Silbe hatte er leiser gesprochen. Die letzten Worte flüsterte er nur mehr und nickte gleichzeitig mit dem Kopf in Richtung der Buchen. Unwillkürlich sahen alle dorthin.
Magdalena schauderte, weniger, weil die Erzählung ihr Angst einflößte, als vielmehr, weil ihr das gerade Erlebte Bilder aus früheren Zeiten in Erinnerung rief: Im Tross hatten sie sich abends auch gern um die Feuer versammelt. Die Männer tranken ordentlich Branntwein, die Frauen und Kinder hielten sich an verdünnten Wein und Bier. Irgendwer wusste stets eine unheimliche Geschichte zum Besten zu geben. Ein Gehenkter in einer Krüppelbuche, den der Meister zuvor verprügelt hatte, gehörte zum Stammrepertoire ebenso wie die Blutspuren an den Händen, die nie mehr verschwanden. Plötzlich war ihr, als krächzte dort hinten im Baum nicht der schwarze Vogel, sondern Roswitha, die kleine, tapsige Hebamme. Was gäbe sie dafür, noch einmal einen Abend mit ihr und ihren Geschichten am Lagerfeuer zu verbringen!
»Behalt deine unsinnigen Geschichten für dich!« Verärgert durchbrach Helmbrecht die unheimliche Stimmung. »Vergiss nicht: In unserer Begleitung haben wir Damen. Solch wirre Geschichten über Spuk und Hexerei kannst du dir für später aufheben, wenn ihr Burschen allein ums Feuer hockt.«
»Genau!«, stimmte Pohlmann zu. »Vergesst nicht die Damen, die sich unter unserem Schutz befinden. Ihnen flößt man mit solchen Märchen nur unnötig Angst ein.« Beifallheischend sah er in die Runde. Als niemand etwas sagte, wandte er sich seinem Wagen zu. Blitzschnell zog sich der Kopf seiner jungen Gemahlin unter die Plane zurück. Unterdessen erklang aus dem Wageninnern ein wohlgefälliges »Recht so, mein Junge!«, das unzweifelhaft von seiner Mutter stammte. Magdalena und Helmbrecht wechselten einen belustigten Blick, was Adelaide mit einem Aufschnauben kommentierte.
»Wenigstens lauern uns hier keine Räuber auf«, sagte Adelaide laut, entschlossen, das Thema zu wechseln. »Dank unserer bewaffneten Begleiter sind wir also sicher vor unliebsamen Überraschungen. Trotzdem sollten wir uns keine falsche Hoffnung machen: Das Gasthaus ist ein für alle Mal geschlossen. Hier bereitet uns niemand eine gute Suppe oder schenkt uns einen Becher Wein aus, von dem berühmten Brannt, den Ihr so schätzt, mein lieber Helmbrecht, gar nicht zu reden. Auch wird uns niemand ein annehmbares Lager für die Nacht bereiten. Dabei sehne ich mich so nach einem wohlriechenden Bad!« Wie zufällig schob sie sich näher an Helmbrecht heran, zog dabei das Brusttuch enger um ihren Körper und räkelte sich. Das brachte ihre Rundungen selbst im Dämmerlicht des späten Nachmittags hervorragend zur Geltung.
Magdalena trat zwei Schritte zur Seite. Es
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