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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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einen Moment huschte unverhohlener Ärger über Adelaides Gesicht, ein kurzes Aufflackern der Gefahr, die Carlotta in ihr sah. Dann hatte sie sich wieder im Griff, hob die Mundwinkel an und reckte die Nasenspitze. »Alles in Ordnung, meine Liebe?« Ihre melodiöse Stimme war eine Streicheleinheit für die Seele.
    Beruhigt wandte sich Carlotta wieder nach vorn und starrte auf den breiten Rücken des Kutschers. Neben ihm mühte sich Mathias, die weitaus schmächtigeren Schultern in gleicher Weise zu beugen, wie es die Fuhrleute taten. Auch er wirkte auf einmal harmlos. Ab und an reichten die beiden einander einen Schlauch. Darin musste sich Branntwein befinden. Scharf hing der Geruch um ihre Köpfe. Angewidert zog Carlotta die Nase kraus und versuchte, etwas von der Gegend zu erspähen. Die bewaffneten Begleiter waren nicht zu sehen. Auch Helmbrecht auf seinem prächtigen Schimmel ließ sich kaum blicken. Die Abenddämmerung breitete sich im Wald schnell aus. Der Gesang der Vögel ebbte ab, andere Geräusche drangen in den Vordergrund. Ein Käuzchen schrie, ein unglückliches Jaulen antwortete. In der Ferne plätscherte Wasser.
    Das Weiß der Birkenstämme blitzte im dämmrigen Abendlicht. Hin und wieder deuteten Farne auf den feuchten Untergrund am Wegrand. Noch immer trieb die Schwüle den Schweiß auf die Stirn. Einmal vernahm Carlotta das kehlige Quaken von Fröschen. Unweit des Fahrwegs glitzerte ein kleiner Teich. Endlich lichteten sich Gestrüpp und Laubwerk beidseits der Straße. Bald fuhren sie ganz aus dem Wald in eine trockengelegte, ehemalige Sumpflandschaft hinein. Noch gab es zu wenig Ackerbauern in der Gegend, die das fruchtbare Land bestellen konnten. Auch entlang der Spree hatte der Große Krieg gewütet. Nach einer weiteren Stunde erst begegneten sie einem klapprigen Wagen mit einem schwächlichen Esel als Zugtier und einem mürrischen Alten, der ihn antrieb. Wenig begeistert lenkte er seinen Wagen beiseite, um Platz für die Reiter und die drei schwer beladenen Fuhrwagen zu machen. Kurz darauf kam ein kleiner Weiler mit einer Handvoll Häuser in Sicht. Im Licht der letzten Sonnenstrahlen wirkte er besonders anheimelnd.
    »Wir sind da!« Rudolf drehte sich halb nach hinten um. »Das Gasthaus liegt noch vor der Spree.« Obwohl er sich Mühe gab, war seine Zunge schwer vom Alkohol. Auch sein Atem ließ keinen Zweifel, welches Getränk er sich in den letzten Stunden so brüderlich mit Mathias geteilt hatte. Carlotta spähte zur Seite. Adelaide zog lediglich eine Augenbraue hoch. Unterdessen kletterte Mathias vom Kutschbock. Er musste sich gut festhalten, konnte weder Griffe noch Schritte sicher setzen. Seine Augen schwammen glasig, die gewaltige Nase sprang dunkelrot aus dem schmalen Gesicht.
    »Vielleicht solltest du dich besser wieder selbst um deinen Sohn kümmern.« Magdalenas Worte klangen eher besorgt als böse. Trotzdem reckte Adelaide nur missmutig die Nase. »Lass das meine Sorge sein.« Mehr sagte sie nicht und rutschte auf dem Brett nach vorn, um als Erste von Helmbrecht aus dem Wagen gehoben zu werden.
    Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Helmbrecht war gleich nach dem Absitzen im Gasthaus verschwunden, um zu klären, ob noch ausreichend Platz für die Nacht vorhanden war. Der Kutscher streckte Adelaide die nicht eben sauberen Hände entgegen und strahlte sie an. Der Dunst, der noch immer aus seiner Kehle unter die Plane drang, löste Ekel bei Carlotta aus. Sie schüttelte sich angewidert und schnappte nach Luft. Auch ihre Mutter wandte sich ab. Adelaide allerdings war schon zu weit nach vorn gerutscht, um die dargebotene Hilfe ablehnen zu können. Solange der Kutscher sich noch mit der groß gewachsenen Frau abmühte, folgten Carlotta und ihre Mutter rasch hinterher und sprangen ohne Hilfe zu Boden.
    Eine Handvoll Walmdachhäuser lag am linken Ufer der Spree, umgeben von blühenden Wiesen. Auf der jenseitigen Flussseite hängten die ersten Birken bereits ihre Zweige wie Angelruten ins silbrig glänzende Nass. Schmale Nachen schwammen im Wasser, Reusen und Netze lagen zum Trocknen ausgebreitet. Die lehmigen Wege zwischen den Häusern waren menschenleer. Aus einem halb verfallenen Schweinekoben drang aufgeregtes Grunzen, ein Esel schrie empört auf.
    Das größte der Häuser war offenkundig das Gasthaus. In einem Unterstand unweit davon fanden sich zwei Fuhrwerke, gut bewacht von einem großen schwarzen Hund. Knurrend fletschte er die Zähne. Glücklicherweise war er festgebunden. Gemächlich

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