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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Gesicht lag. Sie fauchte regelrecht: »Lasst sofort meine Tochter los, Lindström! Sonst werde ich doch noch vergessen, warum ich Wundärztin bin. Höchstpersönlich flöße ich Euch dann das Gift ein, das Euch endgültig den Garaus macht. Elendig wird es Euch von innen heraus zerreißen. Ihr werdet fürchterliche Qualen leiden, wie Ihr sie noch nie erlitten habt. Und ich werde daneben stehen und nichts tun, Euch zu helfen, das schwöre ich Euch.«
    »Hau ab und komm vor Mitternacht mit der richtigen Medizin wieder. Wenn nicht, ist mir einerlei, ob dir noch was Rettendes einfällt oder nicht. Das Morgendämmern werdet ihr zwei Hübschen dann jedenfalls nicht mehr erleben. Vergiss nie: Trotz meiner Krämpfe bin ich immer noch stark genug, euch den Dolch eigenhändig in die Rippen zu bohren.«
    Damit lockerten sich die Finger um Carlottas Handgelenk. Kraftlos sackte er aufs Bett zurück und schloss die Augen. Sein schwerer Atem verriet, wie sehr ihn das alles angestrengt hatte. Carlotta empfand Mitleid. Menschen leiden zu sehen, konnte sie genauso wenig ertragen wie ihre Mutter. Solange noch ein Funken Hoffnung bestand, musste sie alles tun, zu helfen.

24
    Leise schlüpfte sie an den finster ausschauenden Wachen nach draußen. Unten in der Diele erst holte sie ihre Mutter ein, die bereits einer der Mägde in der offenen Küche Anweisungen für Lindströms Kräutersud erteilte. »Einen heißen Stein könnt ihr ihm auch noch ins Bett legen«, sagte sie gerade und sah nur kurz auf, als Carlotta sich näherte. »Selbst wenn es wieder eine laue Mainacht werden wird, wird die zusätzliche Wärme nicht schaden. Bereitet ihm zusätzlich warme Umschläge, die ihr ihm um den Leib bindet. Das löst die Krämpfe. So findet er zumindest etwas Schlaf. Ich verstehe nicht, warum das bislang noch keiner angeordnet hat.« Kopfschüttelnd verließ sie die Küchenecke und winkte Carlotta, ihr nach draußen zu folgen.
    »Wo willst du hin?«, fragte Carlotta, als sie auf der Straße standen. Der Abend dämmerte bereits. Das Brückentor im Westen wurde gerade geschlossen. Eine Handvoll Soldaten gelangte vom Brückenposten ins Innere, froh, den Wachdienst hinter sich zu haben. In Vorfreude auf den weiteren Verlauf des Abends zogen sie lärmend vorbei. Eine alte Frau wollte gerade aus dem Haus treten, erblickte die Schweden und ballte zornig die Faust. Lachend schwenkten die Männer die Hüte. Einer trat auf die Alte zu, griff ihr an die magere Brust und rief seinen Kumpanen etwas zu. Darauf grölten sie lauthals. Hastig drängte Magdalena Carlotta in den Hauseingang zurück und gab ihr ein Zeichen, dicht gegen die Mauer gedrängt zu warten, bis die Burschen vorüber waren. Zum Schutz drapierte sie sich dicht vor ihr. Endlich ließ der Soldat von der alten Frau ab und winkte seinen Gefährten, ihm zu folgen. Singend hielten sie auf eines der nahen Gasthäuser zu. Noch gab es dort genügend Wein, um für einige Stunden die Not des Krieges zu vergessen. Vor wenigen Wochen erst hatten die Schweden den Polen beträchtliche Mengen Nachschub abgenommen, der eigentlich für Warschau bestimmt gewesen war.
    Als die Burschen in der Schenke verschwunden waren, wagten sich Magdalena und Carlotta zurück auf die Straße.
    An der nahen Kirche schlugen die Glocken neunmal. Carlotta schauderte. Drei Stunden blieben bis Mitternacht. Keinen Moment zweifelte sie an Lindströms Drohung. Dringend mussten sie sich etwas einfallen lassen, sein Leiden zu beseitigen. Dabei hatte sie nicht die geringste Ahnung, was hinter seinen Qualen stecken mochte. Wenn die Mutter doch endlich etwas sagen würde!
    »Bis Mitternacht müssen wir einen großen Schritt weiter sein. Weißt du, welcher Tag morgen ist?«
    »Samstag. Aber …«
    »Nichts aber.« Verärgert unterbrach Magdalena sie. »Morgen ist Sankt Urban, also der fünfundzwanzigste Mai. Ein verworfener Tag. Das heißt nichts Gutes, noch dazu, wenn es ein Samstag ist. Samstage sind keine richtigen Tage. Denk an das, was die gute Hedwig uns erklärte.«
    »Dann ist es noch wichtiger, dass wir vor Mitternacht wissen, wie wir Lindström helfen können.« Carlotta wollte bereits losrennen.
    »Lass uns überlegen. Am Marktplatz wird es gewiss eine Apotheke geben. Was wir brauchen, werden sie dort vorrätig haben. Das verschafft uns zumindest etwas Aufschub.«
    »Aufschub nützt uns gar nichts«, entgegnete Carlotta aufgebracht. Die Ruhe ihrer Mutter schien ihr unangemessen. Ihr Handgelenk schmerzte und erinnerte sie daran,

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