Hexengold
vergiss das nicht. Bis ans Ende der Welt könnt ihr fliehen, doch auch da werden sie euch finden. Also, reiß dich zusammen und lass dir was einfallen, wie du mich endlich von diesen gottverdammten Schmerzen befreien kannst.« Wütend stieß er sie beiseite und setzte sich auf. »Mein Hemd!«, rief er einem der Soldaten zu.
Sofort brachte ihm einer das Gewünschte, ohne den Blick zu heben. Carlotta kam nicht dazu, sich darüber zu wundern. Die Mutter berührte sie am Arm, zum Zeichen, dass sie sich mit ihr beraten wollte. »Einen Augenblick«, sagte sie zu Lindström und führte sie in die entgegengesetzte Ecke des Zimmers.
Zielsicher warf Lindström ein Kissen. Es traf Magdalena am Kopf. »He, was soll das?« Verärgert fuhr sie herum.
»Die Geheimnistuerei könnt ihr euch sparen. Kommt her und beratet euch direkt neben mir. So oder so finde ich schnell heraus, welches Gift du mir mischen willst!«
»Wenn Ihr Euch so sicher seid, dass ich Euch vergiften werde, sollten wir es besser gleich lassen.« Endlich hatte ihre Mutter ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden. Sie verschränkte die Arme vor der schmalen Brust und sah auf den Patienten hinab. »Dabei wisst Ihr nur zu gut, dass ich noch nie jemandem meine Hilfe verweigert habe.«
»Stimmt!«, lachte Lindström böse auf, um sich im nächsten Augenblick den Arm fest gegen den krampfgeschüttelten Leib zu pressen. »Wie sollte ich das je vergessen, was? Es heißt ja von dir«, ächzte er mit heiserer Stimme, »du hättest sogar den ärgsten Feind deines geliebten Mannes über Stunden nach allen Regeln der Kunst operiert, statt ihn mit einem Schluck Gift gleich ins Jenseits zu befördern. So gnadenlos gut kannst auch nur du sein, rote Magdalena! Klar sehe ich vor mir, wie du damals im Würzburger Kloster Tag und Nacht deine schwedischen Feinde behandelt und gerettet hast. Eher wärst du selbst am Branntwein zugrunde gegangen, statt einem von uns die rettende Hand zu entziehen. Dabei waren wir deine Feinde! Jeder von uns hat nur auf den Moment gewartet, sich an dir für all die toten Kameraden zu rächen, die deine verfluchten Kaiserlichen auf dem Gewissen hatten. Aber die rote Magdalena, der kleine, zarte Engel, war eben stets die beste aller Wundärzte, die es je auf Gottes weiter Erde gegeben hat, was?«
»Es reicht!«, schrie Magdalena und funkelte ihn zornig an. Carlotta zuckte zusammen. Ein gefährliches Blitzen glomm in den grünen Augen ihrer Mutter auf. Sie schüttelte die offenen, roten Locken nach hinten, reckte das spitze Kinn und stemmte die schmalen Hände in die Hüften. Carlotta hielt die Luft an und äugte vorsichtig zu Lindström. Trotz seines beeindruckenden Äußeren war er bei weitem nicht zartfühlend genug, etwas von Magdalenas Veränderung mitzubekommen.
»Gib dir keine Mühe. Nie und nimmer schaffst du es, mich zu vergiften.« Wieder war es ein Krampf, der Lindström jäh in seiner Häme unterbrach. »Du kannst einfach niemandem etwas Böses zuleide tun. Selbst diesen elenden Verräter Englund hast du umhegt, als wärst du sein Schutzengel persönlich. Dabei hat er an dir furchtbare Rache für seinen geliebten kroatischen Burschen nehmen wollen. Weil er meinte, du wärst dafür verantwortlich gewesen, dass der Kerl aus dem Fenster zu Tode gestürzt ist.« Eine neuerliche Woge des Schmerzes erfasste ihn. Unter Qualen krümmte er sich zur Seite.
Seltsam ungerührt betrachtete die Mutter ihn. Schon wollte Carlotta eingreifen, dem Mann zu helfen, da fasste sie sich wieder, trat zum Tisch und suchte eine weitere Phiole heraus. Prüfend hielt sie das Glasgefäß gegen das Licht. »Ist ja schon gut, Lindström. Ihr habt natürlich recht. Ich kann nicht anders, als zu helfen. Darum bin ich auch Wundärztin geworden und nicht Soldat wie Ihr. Hier habe ich etwas, was Euch gleich die Schmerzen lindern wird.«
Sie hielt ihm die Phiole dicht vors Gesicht. Er wollte sich danach recken und sie an sich nehmen, doch sie zog sie wieder fort und barg sie sorgsam in ihrer Hand.
»Nicht so hastig, Lindström. Fürs Erste lindert es zwar Eure Beschwerden. Die Ursache ist damit allerdings nicht bekämpft. Dazu sind noch ein paar andere Dinge nötig.« Wieder schwenkte die Mutter die Tropfen auf Lindströms Augenhöhe. Abermals wollte er danach greifen, von neuem war sie schneller. »Bevor ich sie Euch verabreiche, müsst Ihr mir eines hoch und heilig versprechen.«
Da ihn gerade ein weiterer Krampf heimsuchte, wartete sie geduldig, bis er sich wieder
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