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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dem Stuhl und schleppte sich zu dem breiten Bett. Vier gedrechselte Säulen stützten den damastbespannten Baldachin, der von nicht weniger kostbaren Vorhängen geschmückt war. Carlotta folgte ihm an der Seite der Mutter ebenfalls dorthin.
    Lindström war groß und schlank. Noch im Gehen knöpfte er sich den goldbetressten Rock auf und entledigte sich des seidenen Hemdes. Beides warf er achtlos zu Boden. Einer der Soldaten sprang dienstbeflissen herbei, hob die Kleidungsstücke auf und legte sie sorgfältig auf eine Truhe. Unwillkürlich hielt Carlotta den Atem an. Bei einem Mann seines Alters hatte sie eher mit faltiger, narbiger Haut und wulstigen Speckfalten um den Bauch denn mit einem solch muskulösen Körper gerechnet. Sein Anblick raubte ihr schlichtweg den Atem. Trotz der misslichen Stimmung fühlte sie ein sanftes Kribbeln im Bauch, ähnlich wie letztens in Erfurt, als Mathias sie verhext hatte. Sie bemerkte, wie auch die smaragdgrünen Augen der Mutter den nackten Männerleib mit der üppigen, dunklen Brustbehaarung anstarrten. Angestrengt biss Magdalena die Lippen zusammen und gab dem Hauptmann ein Zeichen, sich flach auf dem Rücken auszustrecken. Sorgfältig schnürte sie ihren Beutel auf und breitete den Inhalt auf der intarsiengeschmückten Ebenholzplatte des Tisches neben dem Bett aus. Carlotta bezog Position, der Mutter die Gegenstände zu reichen, die sie für die Untersuchung benötigte.
    Schnell rieb die Mutter die trockenen Handflächen gegeneinander, um sie zu wärmen. Anschließend wollte sie sie mit Rosenöl benetzen. Der angenehme Duft machte es dem Patienten leichter, das womöglich schmerzhafte Abtasten zu ertragen. Flink half Carlotta ihr, schraubte die Phiole mit der kostbaren Ingredienz auf und träufelte einige Tropfen davon in die zu einer Schale gewölbten Hände. Ein weiteres Mal rieb die Mutter die Handflächen gegeneinander, dann wandte sie sich dem halbnackten Lindström zu und legte sie ihm auf den Oberkörper. Behutsam tastete sie sich über den Brustkorb zum Magen nach unten. Sooft Carlotta bei ähnlichen Untersuchungen zugesehen hatte, so fasziniert betrachtete sie das Vorgehen auch dieses Mal wieder.
    Wie erwartet, entspannten sich die Gesichtszüge der Mutter beim Abtasten. Bald war der Ausdruck des Erschreckens ganz aus dem spitz zulaufenden Antlitz gewichen. Die leicht schräg stehenden Augen blickten konzentriert. Die hohen Wangenknochen zeigten erste Spuren von Rot, ein Signal, wie angestrengt sie ans Werk ging. »Ah!« Lindström entfuhr ein Seufzer. Er schloss die braunen Augen. Drückte die Mutter ihre Finger tiefer in seine Eingeweide, verzog er das Gesicht vor Schmerzen. Carlotta fiel auf, wie hohlwangig er war, ein Zeichen seines Leidens. Dennoch legte er nach wie vor Wert auf einen gepflegten Körper. Wangen und Kinn waren glatt rasiert, das dünn gewordene graue Haar ordentlich frisiert und exakt auf Linie gestutzt.
    Trotz Magdalenas Tasten und seiner offensichtlichen Schmerzen blieb ihm ausreichend Luft, weiterzureden. Carlotta betrachtete ihn. Zu gern wüsste sie, was die Mutter und ihn miteinander verband. Noch während sie grübelte, rauschten die unflätigen Bemerkungen an ihr vorbei. »Nackte Männer zu begrapschen hat dir schon immer Spaß gemacht, was, mein Täubchen? Wenn ich mich recht erinnere, habe ich ein Schäferstündchen bei dir gut. Vielleicht wäre das die gelungene Belohnung, wenn du mich von den Krämpfen befreist. Noch sind wir zwei im besten Alter, die Liebeskunst in vollen Zügen zu genießen. Darfst mir aber gern auch dein Töchterlein schicken. Die nehme ich mit Handkuss an deiner statt und führe sie in die Freuden der Liebe ein. Oder bin ich gar nicht mehr der Erste?«
    Statt einer Antwort bohrte die Mutter ihre Fingerspitzen einen Moment lang tiefer als nötig in seine Magengrube. Dabei erwischte sie die entscheidende Stelle. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihren schmalen Mund. Carlotta biss sich auf die Lippen. Lindström schrie laut auf.
    »Verfluchtes Weib«, zischte er, sobald er sich von dem Schmerz erholt hatte. »Ich kann dich nur warnen: Komm gar nicht erst auf die Idee, mir etwas anzutun. Meine Männer werden übel Rache an dir nehmen, darauf kannst du dich verlassen. Dem einen oder anderen bist du damals in Würzburg ja schon begegnet. Die warten genauso wie ich seither auf das von Englund versprochene Vergnügen mit dir. Kannst sicher sein: Ein Wink von mir, und sie packen dich! Auch dein Töchterlein werden sie kriegen,

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