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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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beistehen, mit dem Geschehen zurande zu kommen.
    Allein bei dem Wort »Base« hätte sie fast laut aufgelacht. Noch etwas anderes schoss ihr durch den Kopf: Wenn Vinzent tot war, gab es für Adelaide keinen Grund mehr, die Mär von der Verwandtschaft und Eric als dem rechtmäßigen Erben des Kontors an der Fahrgasse aufrechtzuerhalten. Im Gegenteil lag es viel eher in ihrem Interesse, ihrem Sohn Mathias zuliebe Eric als Betrüger zu entlarven. Magdalena musste gute Argumente finden, um Adelaide davon zu überzeugen, trotzdem bei der alten Geschichte zu bleiben.
    Kaum spürbar erwiderte Eric auf einmal den Händedruck. Magdalena senkte den Blick und bemerkte, dass er die Lider geöffnet hatte. Trotz seiner Schmerzen war das tiefgründige Blau seiner Augen nicht gebrochen. Flugs richtete sie ihre Aufmerksamkeit ganz auf den vor ihr liegenden, schwerverletzten Mann. Dankbar, ihn noch immer bei sich zu haben, beugte sie sich tiefer über ihn und küsste ihn zärtlich auf den Mund.
    »Der Bernstein hat dich wieder einmal zu mir zurückgebracht«, flüsterte sie. »Keine Sorge: Auch dieses Mal wird es uns gelingen, das Unglück gemeinsam durchzustehen.«
    Sorgfältig überwachte Magdalena wenig später den Transport des Schwerverletzten ins Haus an der Ecke zur Fahrgasse. Dabei ging sie bewusst der am Ufer wartenden Adelaide aus dem Weg. Noch fühlte sie sich nicht in der Lage, ihr Rede und Antwort zu stehen, und richtete ihr ganzes Augenmerk auf Eric.
    So schnell es ging, rumpelte der Leiterwagen über den unebenen Boden am Mainufer entlang. Von den Erschütterungen wurde Erics Leib rüde hin und her geworfen. Immer wieder stopfte sie die Decken fest, um die Holzpritsche, auf der er lag, notdürftig abzupolstern. Das unruhige Flackern der Lider und sein gelegentliches Aufstöhnen bestätigten ihr, welche Qualen er litt. Oft musste der Mann, der den Karren zog, abrupt anhalten. Es war schwer, ein Durchkommen zu finden. Hausfrauen und Mägde standen nach dem Einkauf schwatzend bei den Händlern. Aufgeregt wippten die weißen Hauben im Takt ihrer Worte. Dazwischen schleppten Tagelöhner Säcke und Kisten oder rollten Fässer zwischen den Schiffen und den Lagerplätzen umher. Der Geruch nach Fisch, faulem Wasser und verschüttetem Wein ätzte in der Nase. Magdalena hatte bereits einen Boten zum Haus an der Fahrgasse vorausgeschickt. Carlotta und Hedwig würden dort alles Nötige vorbereiten, damit sie gleich mit der Operation beginnen konnte.
    »Und was ist mit Vinzent?« Sie waren fast bis zur Metzgerpforte gelangt und wollten nach links einschwenken, da riss jemand Magdalena wütend herum. Schreckensbleich stand Adelaide vor ihr. »Wie geht es weiter?« Sie keuchte die Worte mehr heraus, als dass sie sie aussprach. Kaum wollte ihr die Zunge gehorchen. Ihr Puls ging schnell, sie rang nach Atem. Die strenge Frisur hatte sich nun doch gelöst, die Haube fehlte. Offen wallten die schwarzen Haare um den ebenmäßig geformten Kopf. Zusammen mit den dunklen Augen und den üppigen Brauen verlieh ihr das ein düsteres Aussehen. Von der stolzen, aufrechten Haltung, die sie vorhin am Ufer noch zu bewahren gewusst hatte, war nichts mehr zu ahnen. Die sorgfältig aufgetragene Farbe auf Wangen und Lippen war verschmiert. Selbst das feine, dunkelgrüne Damastkleid wies deutliche Spuren von Schmutz auf. Kopflos musste Adelaide vom Kahn nahe der Heiliggeistpforte herübergerannt sein, einzig beseelt von dem Gedanken, sie sofort zur Rede zu stellen.
    Magdalena sah, wie der Leiterwagen mit dem längst wieder bewusstlosen Eric durch die Metzgerpforte ins Innere der Stadt zockelte. Am liebsten wäre sie ihm einfach hinterhergegangen. Doch der Anstand gebot ihr, Adelaide nicht schutzlos stehen zu lassen. Hastig umarmte sie die Base. »Geh nach Hause und kümmere dich um Mathias. Der Junge braucht dich jetzt. Ihm zuliebe musst du stark bleiben, so schwer es dir fällt.« Magdalena hielt inne. Sie wagte es kaum, sich auszumalen, wie hart die Nachricht vom Tod seines Vaters den Jungen treffen musste. Schon sah sie die zwölfjährige Carlotta vor sich. Das Mädchen würde unendlich erschrecken, wenn es erfuhr, dass dem über alles geliebten Vater etwas zugestoßen war. Umso wichtiger war es, schnellstens zu ihr nach Hause zu kommen. Eric lebte zwar, doch sein Anblick würde Carlotta tief erschüttern. »Ich muss mich um Eric kümmern. Noch steckt ein Funken Leben in ihm. Sobald ich ihn versorgt habe und sein Zustand es zulässt, komme ich zu

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