Hexengold
dir.«
Sie fasste die Base, die sie um gut einen Kopf überragte, an den Händen und drückte sie fest. Als sie den Kopf hob und ihr ins Gesicht sah, schreckte sie zurück. Der Blick aus Adelaides Augen war eisig. Ein Schaudern erfasste sie. Sofort stieg wieder die Angst in ihr auf, Adelaide könnte bei nächster Gelegenheit den Schwindel mit dem Erbe aufdecken und Eric an den Pranger liefern.
»Keine Sorge.« Adelaide reckte die Nase nach oben. »Mathias und ich kommen schon klar. Falls Eric wieder bei Sinnen ist, richte ihm aus, dass ich weiter schweigen werde. Solange für Mathias und mich gesorgt ist, hat er nichts zu befürchten.«
»Was meinst du damit?« Magdalena griff nach ihrem Arm und sah sie eindringlich an. Doch Adelaides Miene blieb verschlossen. Die nahezu schwarzen Augen spiegelten lediglich Magdalenas eigene Verwirrung wider.
»Eric weiß das ganz genau.« Adelaide spitzte den Mund und drehte sich um. Würdevoll, wie es sich für eine trauernde Witwe geziemte, schritt sie in die entgegengesetzte Richtung davon.
2
Das ganze Haus befand sich in heller Aufregung. Sperrangelweit stand das Hoftor offen. Mägde und Knechte rannten umher und scheuchten das Federvieh auf. Der Hund bellte, aus dem Schweinekoben drang aufgeregtes Grunzen. Hermann, der bärbeißige Kutscher, versuchte vergeblich, für Ruhe zu sorgen. Selbst die Schreiber kamen aus dem Kontor und sahen Magdalena voller Bangen entgegen.
»Keine Sorge, er wird schon wieder«, versuchte sie die beiden zu beruhigen. »Am besten helft ihr eurem Herrn, wenn ihr rasch zurück an die Arbeit geht!« Widerstrebend trotteten sie zurück an die Pulte.
»Gut, dass Ihr zurück seid, Herrin!« Hermann eilte herbei. »Der Wagen mit Eurem Gemahl ist schon eingetroffen. Ich habe den Verletzten oben ins Schlafgemach bringen lassen.«
»Besser, du lässt ihn in die Wohnstube bringen und dort auf den großen Tisch legen. Die Wunde sieht schlecht aus, sie muss noch einmal ordentlich versorgt werden. Das werde ich selbst übernehmen und ihn operieren, wie ich das schon früher einmal getan habe. Zuvor aber sollen die Knechte den großen Tisch ans Fenster rücken, da habe ich mehr Licht. Bring mir außerdem Kerzen und heiz den Ofen tüchtig ein. Lederriemen oder Stricke sind auch vonnöten.«
Sie wusste, dass sie sich auf Hermann verlassen konnte, und eilte in die Küche. Als Erstes wandte sie sich den Mägden zu. Mit bleichen Gesichtern, weit aufgerissenen Augen und Mündern starrten sie ihr ängstlich entgegen. »Sorgt für ausreichend Leintücher. Hedwig soll euch zeigen, welche ihr zerreißen könnt. Ordentliche, lange Streifen brauche ich zum Verbinden und einige kleine Fetzen zum Austupfen der Wunde. Auf, auf, das muss alles schneller gehen!«
Hedwigs breiter Rücken versperrte die Sicht auf das Herdfeuer. Klugerweise hatte sie bereits begonnen, Wasser abzukochen. »Hab ich mir gleich gedacht, dass es kein gutes Ende nehmen wird.« Langsam drehte sie sich um und sah Magdalena sorgenvoll an. »Steinacker war nicht der rechte Kompagnon für unseren Herrn. Das habe ich schon gewusst, als der alte Oheim noch gelebt hat. Immerzu hat es was gegeben, was der für seinen Neffen hat richten müssen. Dass er dann noch unseren guten Herrn mit ins Unglück reißt, hätte wirklich nicht sein müssen.« Sie wischte die Hände an der Schürze trocken. »Verwandtschaft ist eben doch nicht alles. Ein Vetter muss nicht für den anderen einstehen.«
Es fiel Magdalena nicht leicht, die Bemerkung unwidersprochen zu lassen. Seit ihrer Ankunft in Frankfurt waren sieben Jahre vergangen. Längst hatte sie darüber fast selbst vergessen, auf welch dreister Lüge Erics und Vinzents Zusammenarbeit im Kontor beruhte. Vorhin erst war es ihr auf schreckliche Weise wieder bewusst geworden. Keiner durfte davon erfahren.
»Steinacker hat meinen Gemahl nicht ins Unglück gerissen.« Das Beben ihrer Stimme hörte hoffentlich nur sie selbst. »Im Gegensatz zum armen Steinacker lebt er zum Glück noch. Ich muss alles versuchen, dass er durchkommt.«
»Das hoffe ich auch, Herrin.« Hedwig sah nach dem kochenden Wasser. »Aber Ihr wisst, dass am heutigen Samstag nichts außer Wäschewaschen getan werden soll. Wie der Mittwoch ist auch der Samstag kein eigentlicher Tag. Noch dazu ist heute der sechste Oktober, ein verworfener Tag. Umso schlimmer, dass Ihr ausgerechnet an einem solchen Tag operieren müsst. Wenigstens lasst Ihr den Herrn nicht zur Ader, oder?«
Hastig bekreuzigte sie sich.
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