Hexengold
betörenden Duft. Eine dicke Hummel umschwirrte die rosa, gelben und blauen Blüten. Drei hohe Lehnsessel standen um den runden Tisch. An der rechten Seitenwand hing ein großer, goldverzierter Spiegel, eine geräumige Truhe darunter bot Platz, die Habseligkeiten der Reisenden zu verstauen.
Wehmütig betrachtete Magdalena das kleine Bündel, das ihr von all ihren Besitztümern noch geblieben war. Wenigstens die Lederrolle mit Meister Johanns Chirurgenbesteck war in der Truhe gut aufgehoben.
»Ist es Euch nicht recht, Verehrteste?«, fragte die Wirtin ungeduldig. Magdalena zuckte zusammen. Viel zu lang schon hatte sie die Einrichtung im Stillen bewundert, statt ihrer Freude über die Behaglichkeit der Stube wortreich Ausdruck zu verleihen. »Wunderbar!«, verkündete sie voller Überschwang. Carlotta nickte zustimmend.
»Verzeiht, gute Frau, aber meine Tochter ist sehr erschöpft. Wäre es möglich, dass Ihr uns das Nachtessen ausnahmsweise hier oben auftischt? Eine warme Suppe, etwas Brot, Käse und Wein genügen uns völlig.«
Wieder traf sie dieser eigenartige, prüfende Blick, bevor die Wirtin sich der stattlichen Anzahlung entsann und rasch antwortete: »Wie es Euch beliebt. Ich schicke Euch gleich eine Magd. Verlangt Euch vielleicht nach einem Bad? Den Zuber können wir gern ebenfalls hier oben aufstellen.«
Magdalena und Carlotta wechselten einen vielsagenden Blick. Nach der staubigen Reise klang das Angebot verlockend, weckte andererseits unliebsame Erinnerungen an Adelaide und deren Vorliebe für heiße, aufreizend inszenierte Bäder.
Die Wirtin nahm ihnen die Entscheidung ab. »Das Bad zu richten dauert nicht lang und bereitet keinerlei Mühe. Mir ist sehr daran gelegen, Euch den Aufenthalt in unserem Gasthaus so angenehm wie möglich zu gestalten.«
Damit verschwand sie, um das Nötige anzuordnen. Die Magd, die sie begleitet hatte, deckte unterdessen die Betten auf, schob den Tisch vor das mittlere Fenster, um ausreichend Platz für den Badezuber zu schaffen, und verließ mit einem knappen Knicks das Gastzimmer.
»Woher hast du so viel Geld?« Carlotta wartete kaum ab, bis sich die Tür hinter der Magd geschlossen hatte.
Magdalena schmunzelte und klimperte mit dem Lederbeutel, den sie am Gürtel ihres Rocks befestigt hatte. »Mach dir keine Sorgen.« Beruhigend tätschelte sie die schmale Hand der Tochter. »Ich habe in Thorn weder Schuldscheine unterzeichnet noch meinen Bernstein zum Juden gebracht. Der Verkauf von Helmbrechts Schimmel erlaubt uns die nächsten Wochen ein sorgenfreies Dasein. Bis der Beutel leer ist, werden wir Vater gefunden und alle offenen Fragen geklärt haben.«
»Wie kannst du es wagen, Helmbrechts Pferd zu verkaufen?« Auf Carlottas Gesicht zeigten sich rote Flecken der Empörung.
»Erstens blieb mir keine Wahl. Nie hätte Lindström uns gestattet, das Pferd mitzunehmen. Bevor er es sich unter den Nagel gerissen und das Geld eingestrichen hat, habe ich es lieber selbst verkauft. Selbstverständlich gebe ich Helmbrecht das Geld zurück, sobald ich mein Erbe ausbezahlt bekomme.«
»Wie und wann willst du es ihm zurückgeben?« Carlotta verschränkte die Arme vor der Brust und sah Magdalena vorwurfsvoll an. »Du weißt nicht einmal, wann er hier eintreffen wird, geschweige denn, wo. Hat die Wirtin eben nicht selbst gesagt, wie schwierig es ist, in der riesigen Stadt jemanden zu finden? Außerdem wirst du den guten Mann nach allem, was passiert ist, wohl kaum im Beisein von Tante Adelaide und den Pohlmanns aufsuchen können. Die werden sich nicht gerade freuen, uns wiederzusehen.«
»Lass das meine Sorge sein, mein Kind. Es wird sich schon alles regeln«, wiegelte Magdalena ab und trat zu der Truhe.
»Und was ist mit Vater?« Carlottas Frage klang verzagt, als hätte sie bereits allen Mut verloren. »Glaubst du wirklich, wir werden ihn hier jemals aufspüren? Hast du nicht bemerkt, wie merkwürdig die Wirtin eben reagiert hat, als du unseren Namen genannt hast? Erst recht auf deine Vermutung, dass Vater und seine Leute längst hier sein müssten. Meinst du nicht, sie sollte wissen, ob er da ist oder nicht? Ach, was sage ich! Wäre er hier, wüsste sie es bestimmt. Also war alles umsonst.«
»Sei kein Hasenfuß!« Entschlossen nahm Magdalena sie in die Arme und drückte sie an sich. »Warum soll uns ausgerechnet die erste Wirtin in Königsberg schon alle Hoffnung nehmen, Vater zu treffen, nur weil sie nichts von seiner Ankunft weiß? Was glaubst du, wie viele Gasthäuser
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