Hexengold
Geldstücke.
»Wie ich sehe, verfügt Ihr über ausreichend Bares«, stellte sie fest. »Das ist fürs Erste mehr als genug. Doch seid vorsichtig, Verehrteste. Allzu leicht wird man Euch Eures Schatzes berauben. Im dichten Gedränge auf den Straßen sind flinke Finger unterwegs. Noch ehe Ihr etwas spürt, hat man Euch den Beutel unter den Falten des Rocks abgeschnitten.«
»Danke für die Warnung, gute Frau. Als Kaufmannsgattin weiß ich sehr wohl über die Unbill des Reisens Bescheid, doch werde ich Euren Rat beherzigen und meine Barschaft künftig mit mehr Verstand aufbewahren.«
»Ihr seid also Kaufleute? Warum reist Ihr allein mit Eurer Tochter? Wo steckt Euer verehrter Herr Gemahl, und was führt Euch überhaupt hierher nach Königsberg?« Unverhohlen glitt der Blick der Frau auch über Carlottas rotblonden Schopf. Verlegen senkte das Mädchen den Blick, konnte aber nicht verhindern, dass sich die Augen der Wirtin einen Moment in ihre tiefgründigen blauen Augen bohrten. »Wie lautet noch mal Euer Name?«
Es fiel der Wirtin sichtlich schwer, sich von Carlottas Antlitz loszureißen. Nun war es an Magdalena, ihr Gegenüber forschend anzuschauen.
»Grohnert heißen wir mit Familiennamen«, erwiderte sie schließlich und nahm wahr, wie die Wirtin die Augenbrauen hochzog. »Wir kommen aus Frankfurt am Main und sind seit Wochen unterwegs«, schob sie rasch nach. »Wir reisen meinem Gemahl und seinen Gefährten hinterher, um ihnen eine wichtige Nachricht zu übermitteln. Ihr könnt Euch denken, welche Aufregungen hinter uns liegen. Vor zwei Wochen erst waren wir noch in Thorn. Die Schweden sitzen weiterhin in der Stadt, ringsum belagert von den Polen und deren Verbündeten. Eine große Not herrscht weit ins Umland hinein. Es fällt nicht leicht, die schrecklichen Bilder des Elends zu vergessen. Umso mehr freuen wir uns, bei Euch eine angenehme Bleibe zu finden und uns davon zu erholen.«
»Das muss eine sehr wichtige Nachricht für Euren Gemahl sein, dass Ihr sie keinem Boten anvertraut habt. Zwei Frauen allein unterwegs, mitten im Krieg, so etwas wagt doch keiner mehr! Ist Euer Gemahl öfter hier in Königsberg?« Abermals wanderte der Blick der Wirtin über Magdalena. »Wie seltsam, dass er noch nie bei uns gewohnt hat. In den letzten Jahren jedenfalls kann ich mich an keinen Grohnert erinnern.«
»Nein«, beeilte sich Magdalena zu versichern und versuchte zu übergehen, wie abfällig die Frau ihren Familiennamen aussprach. »Wir wissen leider nicht genau, ob er überhaupt schon in der Stadt eingetroffen ist, ganz zu schweigen davon, wo er abgestiegen sein könnte. Vielleicht wisst Ihr einen Rat, wohin wir uns wenden können, um mehr zu erfahren?«
»Die Stadt ist groß.« Die Wirtin wog die Münzen in der Hand. Im Kopf überschlug sie bereits, wie viele Nächte sie damit im Voraus berechnen durfte. Das ließ ihre Miene sogleich freundlicher wirken. »Wenn Euer Gemahl nicht gleich hierher in den Grünen Baum gefunden hat wie die meisten Kaufleute, die von Südwesten kommen, wird es schwierig. Heute ist Pfingstsamstag. Längst sind Börse und Handelsplätze geschlossen. Auch bei der Gilde werdet Ihr niemanden mehr antreffen. Bis Montag werdet Ihr Euch in jedem Fall gedulden müssen, bevor Ihr etwas tun könnt. Ruht Euch also erst einmal von Euren Strapazen aus. Das Gastzimmer steht Euch zur Verfügung, solange Ihr wollt.«
Beflissen winkte die Wirtin einer Magd, mit nach oben zu gehen, und kletterte schwer atmend die steile Stiege voraus ins Obergeschoss. Von einem schmalen, düsteren Flur gingen mehrere Türen ab. »Hier ist es«, verkündete sie mit Stolz in der Stimme und öffnete eine weiß gestrichene Tür. Einladend wies sie in die Stube.
Magdalena und Carlotta staunten nicht schlecht, als sie eintraten und sich umsahen. Selbst die Unterkunft in Leipzig wirkte verglichen mit diesem einladenden Raum bescheiden, dabei waren die Zimmer dort erheblich größer gewesen. Drei große Doppelfenster lagen zur prächtigen Langgasse hin, weiße, geraffte Vorhänge aus durchsichtiger Gaze ließen das letzte Tageslicht herein. Helligkeit schien ohnehin das Grundprinzip der Einrichtung. Holzboden und Deckenleisten waren ebenso weiß gestrichen wie die Tür und die Fensterrahmen. Auf einem ausladenden Bett bauschten sich dicke, blütenweiße Federbetten. Der Himmel darüber bestand aus einem duftig leichten, gelben Seidenstoff. Ein Strauß bunter Frühlingsblumen auf einem Tisch in der Raummitte verströmte
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