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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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eigenartigsten Vorwürfen belastet. Trotzdem wussten wir immer, was wir aneinander hatten und dass wir einander vertrauen können. So wird es auch jetzt wieder sein. Mach dir keine unnötigen Sorgen. Zu Beginn der neuen Woche klärt sich alles auf, und wir liegen uns mit Vater wieder in den Armen.«
    Sie schlang ein frisches Tuch um Carlottas zitternde Schultern und trocknete ihr behutsam den Rücken. Auf der hellen Haut perlten die Wassertropfen.
    »Bist du wirklich sicher, dass mit Vater alles ins Reine kommt?« Carlotta wagte nicht, sich umzudrehen und ihr ins Gesicht zu schauen.
    »Was sollte im Unreinen bleiben?« Kaum sprach Magdalena die Gegenfrage aus, fiel ihr auf, wie überstürzt ihre Worte wirkten. Fest umklammerten ihre Finger den Bernstein, warteten auf das untrügliche Zeichen des Liebespfands, das neue Kraft verhieß. Ein dicker Kloß steckte ihr im Hals. Tränen traten ihr in die Augen.
    Unbeirrt bohrte Carlotta weiter: »Vergiss nicht, was in Frankfurt vorgefallen ist. Vater hat dich nicht nur über das wahre Ziel und die eigentlichen Absichten seiner Reise belogen, sondern dir auch schon lange zuvor wichtige Unterlagen vorenthalten. Ganz zu schweigen von dem Erbe hier in Königsberg, das er dir verheimlicht hat. Auch davon, dass unser Besitz in Frankfurt längst verpfändet war und die Gläubiger direkt nach seiner Abreise kommen und uns aus dem Haus in der Fahrgasse jagen würden, hat er dir nicht das Geringste gesagt. Bist du immer noch der Überzeugung, dass er dich nicht hintergangen hat? Dass er dir nach wie vor in gleicher Liebe und Aufrichtigkeit verbunden ist wie du ihm?«
    »Aber Carlotta, mein Kind.« Rasch nahm sie die Kleine in die Arme. Dabei gab sie weniger dem Mädchen Halt, als dass sie selbst eine Stütze in ihr suchte. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschluchzen. Längst musste das Mädchen ihre schlimmsten Zweifel gespürt haben.
    »Solange wir Vater zu all diesen Dingen nicht selbst gesprochen haben, musst du fest daran glauben, dass er das alles nur zu unserem Besten getan hat. Montag werden wir seinen Aufenthalt erfragen, und dann wirst du mit eigenen Augen sehen, wie sich alles zum Guten wendet. Nie hat dein Vater einen Grund gehabt, mich zu hintergehen. So wird es auch jetzt sein. Hier, sieh dir meinen Bernstein an.«
    Behutsam fingerte sie den Stein unter dem Mieder heraus und hielt ihn dicht vor Carlottas Gesicht. Im Kerzenlicht schimmerte er honigfarben. Einen Moment weckte das in Magdalena abermals die Erinnerung an Helmbrecht. Mit Carlotta im Arm gelang es ihr jedoch, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Es ging um Eric und die Aufrichtigkeit ihrer Liebe zueinander, da war kein Platz für jemand anderen. Einzig Carlotta, die Frucht ihrer Liebe, schloss das mit ein. Seufzend richtete Magdalena ihr Augenmerk ganz auf den Stein. Das darin eingeschlossene Insekt wirkte wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Nach einer langen Weile räusperte sie sich und erklärte mit fester Stimme: »So klar und rein wie dieser Stein ist auch die Liebe deines Vaters zu mir.«
    »Wollen wir hoffen, dass du dich nicht täuschst.«
    Carlottas Bedenken verfolgten Magdalena bis in ihre nächtlichen Träume. Wie das Mädchen es in düsteren Farben an die Wand gemalt hatte, sah sie Adelaide in ein trautes Gespräch mit Eric vertieft, Helmbrecht und die Pohlmanns standen um die beiden herum. Als sie zu ihnen trat, zeigten alle anklagend mit den Fingern auf sie. Eric schrie, sie habe das Haus in der Fahrgasse vorschnell aufgegeben. Sie habe ohnehin nie darin wohnen wollen, deshalb sei sie den Gläubigern aus Mainz dankbar, dass sie sie von der Last des ungeliebten Hauses befreit hätten. Verhext hätte sie die Männer, wie sie auch ihn stets verhext und in ihrem Bann gefangen gehalten habe. Allein Adelaide verdanke er, sich daraus endlich befreien zu können. Schweißüberströmt wachte Magdalena aus diesen Träumen auf, die Finger im Krampf um den Bernstein geschlungen. Kaum ließen sie sich von dem Stein lösen.
    Trost suchend sah sie auf ihre Tochter. Friedlich schlafend lag sie neben ihr in dem breiten Bett. Wenigstens ein lieber Mensch, der bei ihr geblieben war! Leise deckte Magdalena das Federbett über die schmächtigen Schultern. Die Nasenflügel des Mädchens bebten. Eine Weile versank sie in dem friedlichen Anblick, sog den vertrauten Geruch der Tochter ein. Dann aber quälte sie die Erinnerung an Adelaides Verrat von neuem. Im Bett würde sie keine Ruhe mehr finden.

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