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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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und Herbergen es hier gibt? Es wird eine Weile dauern, sich durchzufragen, aber es wird zu schaffen sein. Solche Kaufmannsstädte wie Königsberg oder Frankfurt funktionieren nach denselben Regeln. Montag werden wir erst einmal bei der Börse vorn am Tor und auch bei der Gilde vorsprechen. Danach sind wir gewiss ein gutes Stück weiter.«
    »Wie du meinst.« Carlotta klang nicht überzeugt. Vorsichtig schälte sie sich aus Magdalenas Armen und nahm auf einem Sessel Platz.
    Magdalena fühlte sich mit einem Mal viel zu müde, das Gespräch fortzusetzen. Wieder stellte sie sich an die Truhe. Im Spiegel darüber entdeckte sie ihr schmales Gesicht mit dem spitzen Kinn und den schräg stehenden Augen. Deutlich waren ihr die Spuren der langen Reise anzusehen. Voller Staunen bemerkte sie den Faltenkranz um ihre Augenwinkel. Ein weißes Haar blitzte an der linken Schläfe auf. Energisch riss sie es aus. Versonnen betrachtete sie es. Kaum hatte sie die Stadt ihrer Ahnen erreicht, wurde sie also eine alte Frau. So rasch verstrich die Zeit! War es nicht erst gestern gewesen, dass sie Eric heimlich auf dem Freiburger Heuboden getroffen hatte? Rasch pustete sie das Haar von der Fingerkuppe. Um sich von den Erinnerungen abzulenken, schnürte sie den Beutel auf und verstaute ihre Habseligkeiten in der Truhe. Zum Glück hatte sie es geschafft, die zerbrechlichen Salbentiegel und Phiolen mit den Ölen unbeschadet zu transportieren. Wehmütig strich sie über die Lederrolle, die sie von Meister Johann geerbt hatte, und schob sie in der Truhe ganz nach unten. Noch wusste sie nicht, wann oder ob sie überhaupt je wieder als Wundärztin tätig sein konnte.

3
    Laut klopfte es an der Tür des Gastzimmers. Zwei Knechte trugen den Badezuber herein, dicht gefolgt von den Mägden, die ihn mit heißem Wasser zu füllen begannen. Ein emsiges Hin und Her begann. Jeder neue Krug Wasser besserte Carlottas Laune nachhaltig. Am Ende beobachtete sie gar äußerst vergnügt das Gesinde bei der Arbeit und konnte es kaum erwarten, in den dampfenden Zuber zu steigen. Zufrieden saß sie schließlich im warmen Badewasser und genoss den Duft der getrockneten Veilchen- und Rosenblüten, die die Wirtin großzügig hineingestreut hatte.
    Vom Fenster aus betrachtete Magdalena das Geschehen auf der Straße. Die Sonne war untergegangen. Lediglich ein schmaler, silberner Streifen am Horizont kündete noch von ihrem Strahlen. Die Gassen und Plätze leerten sich. Die letzten Händler und Bauersfrauen zogen unter dem Grünen Tor über die Langgassenbrücke aus der Stadt. Auch Handwerksgesellen oder Arbeiter sah man kaum mehr. Stattdessen flanierten die ersten Bürger in stattlichen Roben über das Pflaster. Stolz herausgeputzte Damen spazierten am Arm ihrer Ehegatten. Studenten und Schüler sowie Gelehrte und ihre Famuli sah man, in eifrige Gespräche vertieft, zu den Wirtshäusern ziehen. In manchem unterschied sich das Geschehen von Frankfurt, dennoch empfand es Magdalena in Königsberg sogleich heimelig und vertraut. Wie bei ihrer Ankunft am Nachmittag spürte sie, endlich am Ziel der langen Reise angelangt zu sein.
    »Dir scheint es hier sehr zu gefallen.« Carlotta hatte ihr Bad beendet. Das Wasser plätscherte laut, als sie sich aus dem Zuber erhob. »Du kommst gar nicht mehr vom Fenster weg. Es ist, als hätte dich die Stadt in ihre Fänge genommen.«
    »Stimmt, ich fühle mich hier schon richtig zu Hause.« Magdalena reichte ihr ein Leintuch zum Abtrocknen. Dabei ruhte ihr Blick auf der zierlichen Gestalt des Mädchens. In den letzten Wochen hatte sich ihr Körper verändert. Brust und Hüften rundeten sich, das erste dunkle Haar flaumte zwischen den Beinen. Die Bewegungen wurden anmutiger, der Blick aus den blauen Augen ernster. Sie war kein Kind mehr.
    »Was schaust du so? Suchst du etwa nach dem verräterischen Hexenmal auf meiner Haut?« Carlottas blaue Augen funkelten im dämmrigen Licht der Stube.
    »Nein, nein«, beeilte Magdalena sich zu versichern und schlug Feuer, um die Lampen zu entzünden. »Keine Sorge. Selbst wenn du ein Mal hättest, würde es bei dir genauso wenig bedeuten wie bei Tante Adelaide. Es gibt keine Hexen und folglich auch keinen Hexenzauber. Das weißt du genau.«
    »Mag sein.« Das Mädchen rubbelte sich die Haut an den Armen trocken. »Eins aber musst du zugeben«, fuhr sie etwas außer Atem fort: »Tante Adelaide führt sich manchmal wirklich wie eine Hexe auf. Denk nur an den bösen Blick, den sie uns zugeworfen hat, als wir

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