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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Euch zumindest nicht überraschen, dass die Geschehnisse mich nicht unberührt gelassen haben.«
    »Oh, verzeiht«, beeilte er sich hastig zu versichern und wirkte auf einmal unsicher. »Es lag mir fern, Euch an den furchtbaren Überfall und das erlittene Leid zu erinnern.«
    »Schon gut«, erklärte sie betont laut, um ihm gar nicht erst das Gefühl zu erlauben, sie trage noch immer schwer an den Erlebnissen. Natürlich tat sie das und würde es wohl auch immer tun. Ein Mann aber würde nie begreifen, welche Schmach eine Frau damit erlitt, geschändet zu werden. »Der Besuch bei Eurer Ludwina, wie Ihr die weise Frau nennt, hat mich zumindest an meine frühere Berufung erinnert. Bei meinem Weggang aus Frankfurt war mir schon klar, dass ich nie wieder einen Fuß in ein Kaufmannskontor setzen würde. Und Ludwina hat mir bewusst gemacht, was ich künftig stattdessen zu tun habe: Ich muss mich meiner Wurzeln besinnen. Ihr wisst inzwischen, dass ich aus einer alten Bamberger Apothekerfamilie stamme. Meine Eltern und Geschwister sind vor vielen Jahren dem unseligen Hexenwahn in meiner Geburtsstadt zum Opfer gefallen. Das Schicksal hat mir seither viele Proben bereitet, die mir bewusst gemacht haben, wie wichtig es ist, seinen vorbestimmten Lebensweg unbeirrt weiterzugehen. Dagegen aufzubegehren ist sinnlos und bringt nur neues Leid. Das war es wohl, was mich die Ereignisse lehren sollten. Also werde ich ab morgen als Apothekerin arbeiten, wie schon alle meine Vorfahren als Apotheker gearbeitet haben.«
    »Ihr seid eine starke Frau.«
    »Danke Euch.« Fest erwiderte sie seinen Blick.
    Nach langem Schweigen fragte Helmbrecht mit heiserer Stimme: »Gestattet mir noch ein Letztes: Seid Ihr wirklich sicher, keine Nachricht an Euren Sohn schicken zu wollen? Es wäre mir eine Ehre, den Brief für Euch zu bestellen.«
    »Ich weiß«, entgegnete sie und ärgerte sich über die Unsicherheit, die aus ihrer hastigen Reaktion deutlich abzulesen war. »Aber es ist besser, wenn ich ihm gegenüber schweige. Die Mutter, die ihn aufgezogen und all die Jahre durchs Leben begleitet hat, ist tot. Er ist alt genug, seinen Weg allein zu gehen. Ohne mich wird ihm das besser gelingen. Gewiss wollt Ihr mir nicht die Fähigkeit absprechen, das beurteilen zu können.«
    »Nein, nein«, versicherte er ihr mit brüchiger Stimme. Seinen Worten zum Trotz las sie in seinen Augen Befremden. Doch sie war es müde, um Verständnis zu werben.
    »Gestattet mir eine letzte Bitte.« Sie beugte sich vor und legte ihre schmale, lange Hand auf seine. Er zuckte zurück. Entschlossen hielt sie ihn fest. »Wenn Ihr nach Königsberg reist und meine Base trefft, so sagt bitte auch ihr, ich sei gestorben.«
    »Bitte?« Er runzelte die Stirn.
    »Wenn Ihr wollt, könnt Ihr auch behaupten, ich wäre weit, weit fort. Auf keinen Fall darf sie erfahren, wo ich bin und was ich tue. Es reicht schon, dass ich so nah an der Stadt lebe, in der sie womöglich bleiben wird.«
    »Auch wenn ich es nicht verstehe, werde ich alles tun, was Ihr verlangt, Verehrteste.«
    »Ich wusste, auf Euch ist Verlass.« Sie lächelte und genoss ein letztes Mal, den Blick seiner bernsteinfarbenen Augen bewundernd über ihr Antlitz wandern zu sehen.

9
    Ein neuer Morgen graute. Wie so oft in den letzten Tagen stand Magdalena am Fenster des Gastzimmers im Grünen Baum und sah auf die Kneiphofer Langgasse hinab. Im gegenüberliegenden Haus öffnete eine Magd die Tür und trat mit zwei leeren Eimern auf die Straße. Bald darauf kehrte sie mit den frisch gefüllten Wassereimern vom nahen Brunnen zurück. Zwei Gesellen zogen pfeifend vorbei, dicht gefolgt von einer Handvoll Kräuterweiber. Sie mussten zu den Ersten gehören, denen man am Stadttor der Haberbergschen Vorstadt Einlass gewährt hatte. Die kurze Nacht stand ihnen ebenso ins müde Gesicht geschrieben wie die Beschwernisse des langen Fußmarschs, der hinter ihnen liegen mochte. Dennoch lohnte sich die Mühsal, um rund um den Markt und bei den Buden auf der Krämerbrücke einige Münzen zu verdienen.
    Ein Hund bellte wütend eine Katze an. Fauchend und buckelnd erwiderte sie die Drohgebärde, wich aber gleichzeitig klug zurück. Die Gesellen machten sich einen Spaß daraus, den Hund zu ärgern. Einer hielt plötzlich einen Knüppel in der Hand, in den sich der Hund verbiss. Ein zweiter trat mit den Füßen nach dem Tier, das den Schwanz einzog und in die entgegengesetzte Richtung davonstob. Triumphierend trottete die Katze aus ihrem Versteck zurück

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