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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Reiter waren zutiefst miteinander vertraut. Adelaide sah wieder vor sich, welch große Wiedersehensfreude Pferd und Reiter erfasst hatte, als sie in Thorn unverhofft aufeinandergetroffen waren. Nicht einmal die Tatsache, dass Magdalena das geliebte Pferd so treulos verkauft und das Geld in die eigene Tasche gesteckt hatte, hatte diese Freude trüben können.
    Um in den Kern von Frauenburg zu gelangen, hatten sie, von Westen kommend, die Anlage um den Dom herum nahezu vollständig umrundet. Die Straße führte dicht an der Stadtmauer entlang und lag um diese Tageszeit im Schatten. Dank des steilen Berges erstreckte sich der Graben lediglich um den unteren Teil der Stadt. Auf der östlichen Seite der Mauer durchschritten sie ein Stadttor und fanden wenig später eine Herberge unweit des Marktplatzes.
    »Ich werde sogleich dafür sorgen, dass man Euch ein Bad richtet«, versprach Helmbrecht und übernahm die Verhandlungen. Die Gesichter der Wirtsleute wirkten zunächst verschlossen. Sobald Helmbrecht aber den Geldbeutel zückte, hellten sie sich auf.
    Er musste großzügig gewesen sein, das las Adelaide wenig später an der Beflissenheit der Wirtsleute ab, mit der sie ihr zu Diensten waren. Es dauerte nicht lang, und sie erfreute sich in einem geräumigen Gastzimmer an der Wohltat eines Bades. Rosen- und Lavendelduft erfüllten den Raum. Genüsslich seifte sie sich die langen Arme und Beine ein und vergaß darüber bald die Qualen des Reitens. Je emsiger sie sich schrubbte, umso stärker wurde das Gefühl, außer dem Staub und Dreck der Straßen auch das bisherige Leben von ihrem wohlgeformten Körper abzuwaschen. Zusehends verschwamm auch die Erinnerung an Magdalena und Carlotta. An das Muttermal auf dem Rücken dachte sie beim Abtrocknen bereits mit einer gewissen Wehmut. Würde fortan noch jemand darüber erschrecken so wie damals in Erfurt die kleine Carlotta? Wahrscheinlich fand sich in ihrem künftigen Leben im Hospital keine Gelegenheit mehr, sich nackt vor anderen zu zeigen. Versonnen pustete Adelaide eine schwarze Strähne aus dem Gesicht. Als sie sich nach dem Ankleiden die Haare hochsteckte, erspähte sie zu ihrem Schrecken, wie grau der Ansatz an der rechten Schläfe geworden war.
    »Ihr seht aus wie neugeboren«, schmeichelte Helmbrecht, als sie sich zum Nachtmahl unten in der Schankstube einfand. Wie meist in Gasthäusern war auch diese hier von dem Eindruck der dicken, rußgeschwärzten Deckenbalken beherrscht. Drei lange Tische boten Platz für mehrere Dutzend Gäste. Angesichts der Enge und der üblen Ausdünstungen der anderen Übernachtungsgäste in der Stube schätzte Adelaide sich glücklich, die einzige Frau unter ihnen zu sein. Das verschonte sie davor, das Zimmer mit einer Fremden teilen zu müssen. Oft genug hatte sie das in den vergangenen Nächten erdulden müssen.
    Die Wirtin trug eine dicke Suppe auf. Weder Geruch noch Farbe ließen Rückschlüsse darauf zu, was alles darin herumschwimmen mochte.
    »Sie schmeckt weitaus besser, als sie aussieht«, stellte Helmbrecht erfreut fest, sobald er den ersten Löffel gekostet hatte. Hungrig schlang er die Suppe hinunter. Adelaide wagte sich nur zögernd daran, es ihm nachzutun. Nach den ersten Schlucken aber stimmte sie ihm begeistert zu.
    »Auch das Bier ist hervorragend«, rief sie wenig später aus und prostete ihm zu.
    »Es freut mich, Euch in so guter Stimmung zu sehen, Verehrteste«, erwiderte er die Geste und schob den Teller von sich.
    »Traut Ihr mir das nicht mehr zu?« Sie spitzte die Lippen und reckte das Kinn.
    »Nun, wenn ich ehrlich bin, nicht so ganz. Aber das ist nicht das Einzige, was mich an Euch überrascht. Mir scheint«, bei diesen Worten wurde seine Miene ernst und er senkte die Stimme, »seit unserem Aufenthalt bei der weisen Frau im Wald, zwei Tagesmärsche vor Thorn, hättet Ihr Euch stark verwandelt. Etwas muss dort mit Euch geschehen sein. Fast könnte man meinen, die gute Ludwina hätte Euch etwas in den Trunk getan.«
    »Und ich dachte bislang, Ihr glaubt nicht an Hexerei und Zauberkräfte.« Sie zwang sich, ihn geradewegs anzuschauen. Noch war sie sich nicht sicher, ob sie seine Feststellung als Schmeichelei deuten sollte. Je länger sie den Blick seiner bernsteinbraunen Augen erwiderte, desto mehr neigte sie dazu, es so zu verstehen. Helmbrecht neigte nicht zur Bosheit. Eher fehlte ihm gelegentlich das richtige Maß, einer Frau gegenüber galant zu sein.
    »Wie dem auch sei«, fügte sie nach einer Pause an. »Es wird

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