Hexengold
Thorn geführt hat. Zeit seines Lebens wird Lindström ihnen nicht vergessen, sein Leben gerettet zu haben. Denkt nur an seine Reaktion, als Ihr Euch als Magdalenas Base entpuppt habt. Ist Euch das nicht Beweis genug, wie christlich er tief in seinem Herzen trotz seines ungezogenen Auftretens denkt?«
Helmbrechts Augen leuchteten, als er das Gesicht zur Sonne drehte. Adelaide spürte einen Stich in der Brust. Ihr fiel ein, woran sie diese Augen schon bei ihrer ersten Begegnung erinnert hatten: an dunklen Bernstein! Sie schürzte die rot geschminkten Lippen und reckte die Nase ebenfalls nach oben. Das erklärte Magdalenas Dahinschmelzen, sobald Helmbrecht sie angesehen hatte. Nur der tiefgründige Blick aus Erics blauen Augen vermochte einen ähnlichen Zauber auszuüben. Die Vorstellung brachte Adelaide zum Schmunzeln. Genüsslich malte sie sich aus, wie verwirrt die zierliche rothaarige Base zwischen beiden Männern stehen würde, sollten sie alle drei in Königsberg aufeinandertreffen. Schon bedauerte sie, sich diesen Moment entgehen zu lassen. Doch ihr Entschluss stand fest. Es war nicht ihre Art, Unerreichbarem lange nachzutrauern. Sie lenkte den Braunen auf den Weg zurück. Nun wünschte sie sich nichts sehnlicher, als endlich ihr neues Quartier zu erreichen. Helmbrecht folgte ihr schweigend.
In gemächlichem Schritttempo ritten sie auf der dem Haff abgewandten Seite um die Wehranlage herum. Eine trutzige Mauer umgab den Frauenburger Dom und den Bischofspalast. Die roten Backsteine glühten im abendlichen Sonnenlicht, die Turmhauben glänzten und reckten die Spitzen so weit nach oben, als wollten sie die Wolken am Firmament erreichen.
»Dort hinten rechts liegt das Hospital zum Heiligen Geist.« Helmbrecht wies auf eine kleine, einstöckige Anlage unter ausladenden Kastanien. So dicht neben den prächtigen Gebäuden des Domherrenstifts wirkte sie bescheiden. »Man wird sich freuen, künftig auf Eure Unterstützung als sachkundige Apothekerin zurückgreifen zu können.«
Adelaide erwiderte nichts. Stumm betrachtete sie im Vorüberreiten das Hospital. So recht vermochte sie sich zwar noch nicht vorzustellen, künftig dort zu wirken. Doch sie hatte sich entschieden.
Unterhalb des Domhügels wurde die Mauer schmaler. Um die Stadt herum erwies sie sich als weniger gewaltig, zur Seeseite hin gab es sogar keinerlei Befestigung. Da genügte das offene Wasser als Schutz vor ungebetenem Besuch.
»Wollt Ihr heute Abend schon im Hospital vorsprechen, oder nehmt Ihr für eine Nacht noch gemeinsam mit mir unten im Gasthaus Quartier?«, fragte Helmbrecht. »Von Thorn aus habe ich Eure Ankunft bereits angekündigt.«
»Lasst uns erst ins Gasthaus gehen. Mir ist nach einem ausgiebigen Bad und einer üppigen Mahlzeit.«
Helmbrecht lächelte. Wieder leuchteten seine wundervollen Augen auf. Die große Nase und die hässlichen Narben traten dahinter zurück. Wie gern hätte Adelaide diesen Mann für sich gewonnen! Sie strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Stirn glänzte schweißnass. Der Wind hatte sich gelegt. Schon machte ihr die Schwüle wieder zu schaffen. Mücken umschwirrten die Pferde. Mit Bewunderung bemerkte Adelaide, wie aufrecht Helmbrecht auf dem Schimmel thronte. Selbst nach zehn Tagen im Sattel waren ihm die Beschwernisse der Reise nicht anzusehen, von den Nachwirkungen der Verletzungen, die er bei dem Überfall davongetragen hatte, ganz zu schweigen. Die breiten Schultern und das kräftige Kreuz flößten Vertrauen ein. Adelaide musste sich zwingen, die Augen von ihm abzuwenden. Sie seufzte. Am nächsten Tag würde er für immer aus ihrem Leben verschwinden.
»Ich denke nicht, dass Ihr an Eurem künftigen Wohnort die Annehmlichkeiten eines Bades entbehren müsst«, setzte Helmbrecht unbekümmert die Unterhaltung fort. »Hier in Frauenburg ist man bestens eingerichtet. Außerdem tretet Ihr nicht als einfache Nonne, sondern als freie Bürgerin in das Hospital ein. Das erleichtert Euren Stand.«
Kurz lüftete er den Hut und wandte das Gesicht der untergehenden Sonne zu. Einen Moment sah es so aus, als entrichtete er dem glutroten Feuerball einen besonderen Gruß. Hing er doch geheimnisvollen Bräuchen an?
»Also gut«, sagte er, nachdem er seinen Hut wieder aufgesetzt und die Aufschläge seines Rocks gerichtet hatte. »Höchste Zeit, eine Herberge für die Nacht zu suchen.«
Er schnalzte mit der Zunge. Sein Schimmel schüttelte die Mähne und setzte sich schnaubend in Bewegung. Ross und
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