Hexengold
all den Jahren!« Ruckartig fuhr er aus den Kissen auf und bellte die Worte regelrecht heraus. »Wie soll ich da das Unrecht je wiedergutmachen?« Die letzten Silben gingen in Husten über. Schweiß trat ihm auf die Stirn, die Stimme versagte.
»Scht! Reg dich nicht auf, Liebster!« Behutsam drückte sie ihn zurück und setzte ihm abermals den Becher mit dem verdünnten Wein an die Lippen. Dankbar trank er wieder einige kleine Schlucke. Danach schloss er kurz die Augen, schien in Gedanken zu versinken, riss sie mit einem Mal wieder auf und lächelte sie an. Schon schob er sich höher in die Kissen und drückte ihre Hand mit der seinen unerwartet stark.
Magdalena betrachtete ihn besorgt. Der abrupte Wechsel seines Zustands verhieß nichts Gutes. Keinesfalls durfte er sich überanstrengen. Gleichzeitig erfasste sie ein freudiger Taumel. Sie hatte sich nicht in ihm getäuscht! Er trug seine Schuld ab und enthüllte seine wahren Absichten. Auf einmal schien er doch wieder ganz der alte, vertraute Eric, in den sie sich einst in Freiburg verliebt hatte. Ihr wurde warm ums Herz.
»Du weißt, einzig unsere Liebe zählt«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Deshalb habe ich auch alles darangesetzt, dir und Carlotta zuliebe das Unglück von damals wiedergutzumachen. Fast wäre es mir gelungen. Nur der letzte Schritt ist mir verwehrt. Wenn die elenden Hundsfotte von Ratsherren nicht so engstirnig wären! Als ob ein Grohnert wie der andere wäre. Dabei war auch mein Vater kein schlechter Mensch. Das musst du mir glauben, Liebste.« Er presste die Lippen zusammen. Tränen standen ihm in den Augen. Er rang nach Luft. »Ich bin hier geboren, habe meine ersten Jahre am Pregel verbracht. Als ich die Stadt wiedersah, wurden die vergessen geglaubten Bilder wieder lebendig. Auch für mich war es wie ein Heimkommen von einer sehr, sehr langen Reise.« Bewegt hielt er inne. »Und trotzdem sollte ich nicht mehr in meine eigene Vaterstadt zurückkehren dürfen und konnte deinen Anspruch auf das Erbe der Singeknechts beim Rat und der Gilde nicht für dich anmelden. Damit ist alles umsonst gewesen, Magdalena. Das wissen die Dickköpfe doch!«
Er bäumte sich auf, schob ihre Arme weg und schien plötzlich von einer unbändigen Kraft erfüllt. Schon schlug er das Federbett zurück und wollte sich aus dem Bett schwingen.
»Nicht! Du darfst nicht aufstehen«, rief sie entsetzt und fasste ihn an den Schultern, um ihn zurück in die Kissen zu drücken.
Er schüttelte den Kopf. »Ich muss, meine Liebste, ich muss. Die Zeit drängt, der Rat wartet nicht. Wenn ich nicht selbst dort auftauche, ist das Erbe deiner Familie endgültig verloren. Und dann haben die, die deine und meine Familie aus Königsberg vertreiben wollen, ein für alle Mal gesiegt. Das dürfen wir nicht zulassen!«
»Bleib ganz ruhig, Liebster.« Sie befeuchtete ein Leintuch und tupfte ihm die Stirn, die wieder heiß geworden war. »Du musst erst einmal gesund werden. Alles andere wird sich regeln.«
»Mir geht es wieder gut. Du siehst es doch selbst. Wo ist meine Tasche?« Unruhig wanderte sein Blick durch den Raum. Seine Wangen färbten sich rot. »Englunds Briefe sind da drin. Die musst du der Zunft und dem Rat zeigen. Mein Vetter hat herausgefunden, wer meinen Vater damals gegen deine Familie aufgewiegelt hat. Falsche Beweise hat man ihm untergejubelt. Er musste einfach glauben, Paul Singeknecht sei ein Betrüger!«
»Lass gut sein, Liebster«, versuchte Magdalena, ihn zu beschwichtigen, doch er schien besessen davon, in aller Hast die Angelegenheiten zu regeln. Die Sätze sprudelten aus ihm heraus. »Nichts kann ich gut sein lassen, Liebste. Gar nichts ist gut. Du musst doch wissen, was ich all die Jahre getan habe, wenn ich nicht bei dir sein konnte. Ich habe keine schlechten Geheimnisse vor dir, nie und nimmer darfst du das denken! Das alles habe ich stets nur für dich und Carlotta getan. Seit damals, seit ich in Freiburg oben auf dem Berg von den Franzosen verschleppt worden bin, habe ich gewusst: Du bist die Einzige, der ich vertrauen, auf die ich all mein Tun und Treiben richten kann.«
Erschöpfung erfasste ihn. Magdalena dagegen wurde zusehends ruhiger. Ihr Vertrauen in ihn war stets gerechtfertigt gewesen. Sacht tupfte sie ihm die Stirn, gab ihm zur Stärkung abermals einige Schlucke Wein zu trinken. Von neuem schob er sich höher in die Kissen und redete weiter, als gelte es, lang Versäumtes in wenigen Augenblicken nachzuholen. »Deshalb habe
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