Hexengold
Königsbergern beteiligen, außerdem werde ich selbst den Bernsteinhandel unserer Ahnen übernehmen. Damit kann ich übers Jahr alle Schulden begleichen.«
Magdalena stutzte. »Moment«, setzte sie zögernd an, »willst du damit sagen, du wirst mein Erbe dazu verwenden, um Schulden zu bezahlen, die du überhaupt nur Vinzents wegen gemacht hast?« Sie knüllte das Leintuch in ihrer Hand so fest zusammen, dass ihre Finger schmerzten. Das zu spüren tat gut. Es war allemal besser als die Enttäuschung, die nun doch in ihr aufstieg. Nicht ihr zuliebe, wie er eben noch behauptet hatte, sondern allein zur Rettung seines eigenen Geschäfts hatte er das alles auf sich genommen? Das konnte, nein, das durfte nicht sein, hieße es doch, er wäre doch unaufrichtig zu ihr gewesen. Aber warum sonst hatte er die Briefe aus Köln unterschlagen und sie hinsichtlich seines Reiseziels im Unklaren gelassen? Nein, sie musste sich verhört haben. Vorhin erst hatte er sie seiner ewig währenden Liebe versichert. Forschend sah sie ihn an.
Er versuchte sich in dem altbewährten Lächeln. »Was spricht dagegen?« Die Art, wie er die Worte aussprach, verriet, wie wenig er begriff. Eine Zeitlang starrte sie ihn unverwandt an. Dann wusste sie, es brachte nichts, weiter auf dieser Sache zu beharren. Wenn er erst einmal wieder besser bei Kräften war, konnte sie es noch einmal versuchen. Zunächst sollte sie sich auf die Verwirrung mit den Jahreszahlen konzentrieren. Was dahintersteckte, war einfacher herauszufinden als alles andere.
»Bist du dir sicher, dass die Frist zur Rückzahlung erst im nächsten Jahr endet? Das ließe sich leicht feststellen, indem man das Papier noch einmal prüfen lässt. Wenn ich mich recht entsinne, hat sich tatsächlich ein Fleck auf den Ziffern mit dem Datum befunden. Gut möglich, dass dort etwas ausgebessert wurde. Leider haben sie mir den Schein nicht aushändigen wollen. Es wird schwer sein, das zu beweisen. Wir müssen nach Frankfurt schreiben und die Zunft um Hilfe bitten.«
»Das kann dauern. Das Schicksal steht gegen uns. In der Zwischenzeit verlieren wir auch hier in Königsberg alles, weil wir hier eine Frist nicht halten können!« Erschöpft sank Eric in die Kissen zurück. Er klang wieder matt und mutlos. Sein Brustkorb hob und senkte sich in kurzen Abständen. Abermals tupfte sie ihm die Stirn, streichelte seinen Arm und lächelte.
»So oft schon schien das Schicksal gegen uns zu stehen«, sprach sie sanft auf ihn ein. »Am Ende aber hat es sich doch wieder zu unseren Gunsten gedreht. Die Wege sind nicht immer klar und vorhersehbar. Manchmal gilt es Umwege einzuschlagen, verschlungene Pfade zu beschreiten, und am Ende münden gerade die ins vorgesehene Ziel. Wir werden sehen, ob sich nicht auch dieses Mal eine Möglichkeit findet, alles zum Guten hin zu wenden. Erst einmal musst du wieder zu Kräften kommen. Das ist das Wichtigste. Anschließend sehen wir weiter.«
10
Auf dem Flur erklangen Schritte, Stimmen wurden laut. Carlottas helle Mädchenstimme übertönte alle. Magdalena und Eric wechselten einen Blick. Schwungvoll sprang die Tür auf, und Carlotta erschien im Türrahmen. Vor der Brust trug sie ein Tablett mit Gerstenbrei, einem Krug warmem Bier und einem Becher Wein. Auch einige Scheiben Brot und Käse sowie eine Tasse Milch fanden sich darauf. »Guten Morgen, Vater. Endlich bist du wach!«
Sie eilte zum Bett und stellte das Tablett auf den kleinen Tisch daneben. Behutsam beugte sie sich über ihren geschwächten Vater und nahm ihn sanft in die Arme. Magdalena wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
Als sie aufsah, bemerkte sie, dass Carlotta nicht allein gekommen war. Drei bärtige Besucher verharrten verlegen in der offen stehenden Tür: Diehl, Imhof und Feuchtgruber. Sie winkte ihnen, einzutreten. Gleich erfüllten die ausladenden Gestalten den Raum. Die Kaufleute nahmen die Hüte von den Köpfen und verneigten sich sittsam. Imhof legte den Hut auf den Tisch in der Mitte, dann glitten seine Hände an den Säbel und die Pistole und spielten daran herum. Der glatzköpfige Diehl wirkte nicht weniger fahrig. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und blickte angestrengt auf Feuchtgruber, der sich wie so oft zum Wortführer aufschwang.
»Verzeiht, verehrte Frau Grohnert, mein lieber Grohnert. Wir kommen ohne Anmeldung zu ungewöhnlich früher Stunde und stören Euer trautes Familienleben. Gerade an einem Krankenbett pflegt man sich anders zu verhalten. Doch wie Ihr
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