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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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schmales Gesicht. Nein, unmöglich. Kein Wort würde der Vater ihr glauben. Andererseits hinderte derselbe Grund auch Mathias daran, jemandem von dem Päckchen zu berichten. Zu eng waren der Fund und sein abscheuliches Tun miteinander verbunden.
    »Nein, niemand«, war alles, was sie herausbrachte.
    Doch ihr Vater hörte gar nicht mehr richtig zu. Längst hatte er sich seinen Mantel geholt und den Hut aufgesetzt. »Sag deiner Mutter, ich werde zum Abendessen zurück sein. Ich muss zu Feuchtgruber und den anderen.«

17
    Noch war es früh am Tag. Der von roten und blauen Schlieren überzogene Märzhimmel ließ erahnen, wie verschwenderisch sich bald die Sonne über die Stadt ergießen würde. Schon blitzte es hell auf den Dächern. Die ersten Schwalben hielten Einzug und markierten in kühnen Flugbahnen ihr künftiges Revier. Bester Stimmung folgte Magdalenas Blick den Vorboten des nahen Frühlings. Dann wandte sie sich wieder zur Wohnstube um. Noch brannten die Kerzen auf dem Frühstückstisch und erfüllten den niedrigen Raum mit zittrigem Licht. Sie setzte sich zu Adelaide und kratzte die Schale mit Gerstenbrei aus.
    »Anfang übernächster Woche wird Eric gen Süden aufbrechen. Dann beginnt wieder das monatelange Bangen und Warten.«
    »Mach dir nicht schon im Vorhinein Sorgen.« Geschickt spießte Adelaide mit der Messerspitze ein Stück Käse auf. Der nussige Geruch verriet die lange Reifezeit. Genüsslich kaute Adelaide und gönnte sich ein weiteres Stück, bevor sie fortfuhr: »All die Jahre ist er wohlbehalten zurückgekommen. Wenn er auch beim letzten Mal schwer verletzt war, so ist er im Gegensatz zu meinem armen Gemahl – Gott schenke ihm eine fröhliche Auferstehung – wenigstens auch da noch lebendig gewesen. Die neuen Gefährten werden schon aufgrund ihres Alters vorsichtiger zu Werke gehen als Vinzent und er.«
    »Danke, dass ausgerechnet du mich tröstest.« Gerührt drückte sie Adelaides Hand. Eine Weile schwiegen sie. Magdalenas Blick wanderte über den Tisch. Die meisten Speisen waren unangetastet. Eric hatte nicht einmal seine Grütze angerührt. Stattdessen hatte er lediglich zwei Tassen des bitteren Kaffees getrunken. Es gefiel ihr nicht, wie sehr er dem Getränk verfallen war. Dass seine Narbe auf der Brust schlecht verheilte, war gewiss eine Folge davon. Auch die stetig wachsende Unrast musste mit dem bitteren Gebräu zusammenhängen.
    »Wo steckt eigentlich Mathias?«, fragte sie Adelaide, um sich auf andere Gedanken zu bringen. »Seit Tagen taucht er nicht mehr beim Essen auf. Auch im Kontor habe ich ihn kaum gesehen. So wird er nie lernen, was alles in einem Handelshaus zu erledigen ist. Gerade bei der Reisevorbereitung könnte er Eric gut über die Schulter schauen.«
    »Dazu sollte Eric ebenfalls öfter im Kontor sein. Die letzten Tage machte es den Eindruck, als flüchtete er aus dem eigenen Haus.« Adelaide war beim letzten Käsestück angelangt und balancierte auch dieses auf der Messerspitze in den Mund. »Gräm dich nicht, meine Liebe«, fügte sie versöhnlich hinzu, »ich habe das nicht böse gemeint. Und was Mathias betrifft: Er ist wohl ganz der Sohn seines Vaters. Wie Vinzent reizt auch ihn die praktische Seite des Geschäfts. Seit Sonnenaufgang hilft er Hermann im Stall mit dem neuen Rappen, den Eric sich angeschafft hat. Sag mal«, sie zögerte einen Moment, »hast du eigentlich Nachricht von deinem Vetter aus Köln?«
    Statt zu antworten, erhob sich Magdalena vom Tisch und stellte sich abermals ans Fenster. Verwundert schaute sie auf den Platz vor der Mehlwaage. Die alte Kräuterfrau fehlte, die um diese Zeit sonst immer auf ihrem Stammplatz hockte. Auch die beiden Büttel schienen sich suchend nach ihr umzusehen.
    »Nein«, antwortete sie und wandte sich wieder um. »Ich habe nichts aus Köln gehört. Ist das nicht seltsam? Alle Spuren auf unsere Familien in Königsberg verlaufen im Sand.«
    »Es war ein Fehler von mir, nicht doch zu unserem alten Haus zu gehen.« Adelaide trat neben sie und knetete unruhig die Finger. »Vielleicht hätte ich Englunds Päckchen doch noch gefunden. Ich verstehe nicht, warum es nirgendwo aufgetaucht ist.«
    »Hör auf, dir Vorhaltungen zu machen. Du hast all eure persönlichen Besitztümer aus der Sandgasse mit hierhergebracht. Wo, um alles in der Welt, hätte das Päckchen sonst sein sollen, wenn nicht in einer von Vinzents Truhen? Das Haus haben die neuen Besitzer inzwischen abgerissen. Alles, was noch brauchbar war, ist in alle Winde

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