Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
habhaft wurde?«
»Ebendarum. Schon allein, dass sie sich durch Flucht einer Vernehmung entzogen haben, ist doch Beweis genug!«, entgegnete Institoris finster.
»Die Leute hier sind genau so abergläubisch wie überall – aber sie glauben weder wirklich an kinderschlachtende Hexen noch an mit Dämonen Unzucht und andere wüste Dinge treibende Menschen, nein. Ich denke, Ihr werdet es schwer haben, die Leute davon zu überzeugen, dass es so etwas geben soll …«
»Nicht geben soll, sondern gibt! So steht es in der Bulle!«, unterbrach ihn Institoris.
»Das meine ich ja«, beeilte sich der Prokurator zu versichern. »Hat man in Utrecht auch schon davon gehört?«, wandte sich Molitoris nun an Kanter.
Der Notar schüttelte den Kopf und wollte zu einer Antwort ansetzen, aber Institoris ließ ihn nicht dazu kommen.
»Es ist wahrscheinlich wie hier. Gehört haben sie alle schon davon, aber sie sind der Meinung, das gäbe es zwar woanders, aber nicht bei ihnen. Man muss ihnen zuerst die Augen öffnen, damit sie erkennen, welcher Schmutz und welche abgrundtiefe Verdorbenheit sie umgibt!« Institoris öffnete seine Tasche und zog ein sorgsam gefaltetes Stück Papier hervor, das mit einem roten Siegel verschlossen war. »Ich habe unser Anliegen für Seine Gnaden schriftlich zusammengefasst. Wir benötigen die Unterstützung der weltlichen Obrigkeit und bitten deshalb untertänigst, uns nicht all zu lange auf eine Antwort warten zu lassen!« Er trat einen Schritt nach vorne und überreichte dem Prokurator sein Schreiben, das dieser nun mit unbewegter Miene entgegennahm.
Für Kanter war es seine erste Tätigkeit als Notar bei einem Hexenprozess und der Inquisitor hatte ihm in den schillerndsten Farben ausgemalt, wie insbesondere die weltlichen Herrscher im Süden des Reiches förmlich danach drängen würden, ihre Hoheitsgebiete von dieser Plage zu befreien. Nun aber stand er hier und musste enttäuscht feststellen, dass der Herzog nicht einmal bereit war, sie zu empfangen und stattdessen einen zufällig anwesenden Gast beauftragt hatte, sie mehr oder weniger abzuwimmeln.
»Besonders willkommen scheinen wir hier aber nicht zu sein!«, wandte er sich an Institoris, als sie wieder auf die vom Nieselregen feuchte Straße vor der Hofburg traten.
»Dieser Molitoris! Ich kenne ihn schon länger. Es würde mich nicht wundern, wenn er selbst mit Satan im Bunde wäre und ihn dieser als Verteidiger seiner Machenschaften benutzen würde!«, fauchte Bruder Heinrich zurück.
Oben im Arbeitszimmer der Residenz stand in der gleichen Zeit Ulrich Molitoris neben dem mit Schriftstücken überladenen Schreibtisch des Regenten.
Langsam ließ dieser das Papier sinken und sah den Prokurator an. »Was haltet Ihr von der Sache?«
Molitoris zuckte die Schultern. »Ihr werdet nicht umhin kommen, ihm seine Unterstützung zuzusagen. Schadenszauber – um das wird es im Wesentlichen gehen, fällt nun einmal unter die weltliche Rechtsprechung. Er wird natürlich versuchen, die Komponente mit der Teufelsbuhlschaft mit einzubringen und damit seiner Bulle mehr Anerkennung zu verschaffen.«
Herzog Sigmund lehnte sich zurück und strich sich nachdenklich mit beiden Händen durch das wallende Haupthaar. »Ich denke, das Beste ist, ich schicke eine Abschrift an den Bischof Golser nach Brixen. Ich möchte seine Ansicht dazu hören. Was denkt Ihr?«
Molitoris nickte bestätigend.
17. KAPITEL
G eorg Golser war ein Mann von hünenhafter Gestalt, dem trotz seines vornehmen Habits immer noch seine ländliche Herkunft anzumerken war. Geboren war er in der kleinen Gemeinde Gols im Salzburgischen als Kind einfacher Bauern und schon früh hatte sich in ihm der Wunsch geregt, die Nachfolge des Herrn als Priester anzutreten. Der Dorfpfarrer hatte den aufgeweckten Buben schon lange im Auge und vermittelte ihm eine schulische Ausbildung in Salzburg, was seinen Eltern auch nicht ganz ungelegen kam, hatten sie doch damit einen Esser weniger am Tisch. Georg war von tiefer Frömmigkeit beseelt, was aber nicht ausschloss, seine Umgebung mit wachem Verstand kritisch zu hinterfragen. Schon als Heranwachsender begriff er, dass unter dem Mantel des Glaubens Dinge getrieben wurden, die der Lehre Christi Hohn sprachen, denen er aber machtlos gegenüber stand. Er begriff schon früh, dass Habgier, Missgunst, Neid und Eitelkeit ein unausrottbarer Teil der menschlichen Natur waren und es viele gab, die sich hinter der Maske der Religiosität versteckten, um so ihre eigenen
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