Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
tiefgläubige Mutter sorgte dafür, dass der kleine Johannes keinen Gottesdienst oder Andacht verpasste. »Das ist alles, was ich dir auf deinen Lebensweg mitgeben kann. Ohne Glauben unterscheidet sich der Mensch nicht viel von einem Tier«, ermahnte sie immer wieder ihren Buben.
Irgendwann fiel dem Benediktinerabt in der Klosterkirche der Knabe auf, der die Predigten geradezu in sich hineinzusaugen schien. Einige Wochen lang beobachtete er ihn unauffällig und nahm ihn an einem Sonntag nach dem Gottesdienst zur Seite. »Verstehst du denn alles, was wir von der Kanzel verkünden?«
»Manches ja, aber vieles nicht. Aber ich bin ja noch klein und möchte möglichst viel lernen.«
Dem Abt gefiel die Antwort. »Würdest du gerne bei uns Benediktinern die Klosterschule besuchen?«
Er sah das kurze Aufleuchten seiner Augen, das aber sogleich wieder verschwand.
»Ja, schon. Aber meine Mutter ist eine arme Frau und Vater habe ich auch keinen mehr«, erwiderte der Junge bedrückt.
»Da werden wir schon eine Lösung finden. Wichtiger ist dein Wille, etwas aus deinem Leben zu machen. Wie heißt du denn und wo wohnst du?«
»Johannes Nider. Wir wohnen an der Straße hinaus nach Eglofs, es ist das zweite Haus gleich hinter der großen Linde.«
»Gut. Ich werde mit deiner Mutter reden!«
Ein paar Tage später betrat der Abt abends die windschiefe Hütte, die nur aus einem einzigen Raum bestand. »Gelobt sei Jesus Christus!«
»In Ewigkeit, Amen!«, erwiderten die beiden scheu.
Unauffällig sah sich der Geistliche um. In einer Ecke qualmte ein lehmgemauerter Herd, auf dem ein verrußter Kessel dampfte und über dem eine alte verbeulte Pfanne hing, an einem roh gezimmerten Tisch standen zwei ebensolche Hocker und auf dem gestampften Erdboden lagen in einem abgeteilten Bretterverschlag zwei säuberlich ausgerichtete strohgefüllte Zudecken mit ebensolchen Kopfkissen. Auf dem kleinen Fenstersims entdeckte er Teller, Tassen und Löffel. Neben dem Fenster hing ein Kruzifix mit einem geschnitzten Corpus, dessen Kopf mit der Dornenkrone im Verhältnis zum Oberkörper zu klein geraten war, daneben stand auf einem angenagelten Brett eine gipserne Madonna.
Die Frau bemerkte seinen Blick. »Ich weiß, er ist nicht schön. Aber wir haben kein Geld und müssen uns mit dem begnügen, was wir uns leisten können«, sagte sie entschuldigend.
»Gute Frau, es kommt nicht auf das Äußerliche an, sondern auf die innere Einstellung und den Glauben!«, antwortete der Abt.
»Bitte nehmt Platz. Ich kann einen Tee machen, mehr habe ich leider nicht im Haus.«
»Mach dir keine Mühe, ich brauche nichts«, antwortete der Abt und ließ sich umständlich auf dem Hocker nieder. Erst jetzt sah er die Truhe auf der rückwärtigen Seite des Tisches, in der ihre Habseligkeiten verstaut waren und die ebenfalls als Sitzgelegenheit diente.
»Du hast es sicher schon deiner Mutter gesagt«, wandte er sich an den Buben.
Johannes nickte und seine Mutter sagte: »Ja, er hat mir davon berichtet. Aber wir haben gerade so viel, dass wir nicht verhungern müssen. Seit mein Mann gestorben ist, müssen wir uns alleine durchschlagen. Als Tagelöhnerin bekomme ich zwar im Sommer schon Arbeit, den Winter über müssen wir jedoch von dem bisschen Ersparten leben. Um es vorneweg zu sagen – zu einem Schulbesuch für den Buben fehlt mir einfach das Geld!«
»Deswegen bin ich ja hier«, lächelte der Geistliche.
Als er sie genauer betrachtete, fielen ihm ihre abgehärmten Gesichtszüge auf. Sie musste knapp Mitte dreißig sein, vor ihm aber stand eine Frau, die um mindestens zehn Jahre älter aussah.
»Ich beobachte deinen Buben schon eine ganze Weile. Mir ist aufgefallen, wie andächtig er während der Gottesdienste ist und wie aufmerksam er den Predigten zuhört. Du scheinst einen frommen und sehr wissbegierigen Sohn zu haben, um den es schade wäre, wenn seine Talente verkümmern würden. Mit meinen Mitbrüdern, die ihn ebenfalls observiert haben, bin ich mir einig. Wir würden den Buben gerne in unsere Klosterschule aufnehmen, und zwar umsonst. Du kannst sicher sein, dass wir das nicht mit jedem machen, aber hier zu einer Ausnahme bereit sind.«
Schwach wandte sie ein, dass sie ihn über den Sommer als Gehilfen bei einem Schuster, der ein Freund ihres verstorbenen Mannes war, versprochen hatte und dass sie das bisschen Geld dringend nötig hätten.
»Nichts da!«, erwiderte der Abt bestimmt, »wir werden auch im Kloster für ihn eine Arbeit finden, ohne dass
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