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Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)

Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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einen schon halb vermoderten Wurzelstock bauten, in den sie Gänge nagten. Auch bei der Auswahl der Baumaterialien waren sie wählerisch. Er entdeckte, dass sie nicht alle gleich aussahen, obwohl sie zum gleichen Volk gehörten. Da gab es heller und dunkler getönte, auch in der Größe unterschieden sie sich und manche hatten einen im Verhältnis zum Körperbau beinahe unförmigen Kopf.
    Mehr als einmal kam er erst nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause, was seine Mutter aber nur milde tadelte. Mit glänzenden Augen erzählte er ihr dann, wie er heute wieder den ganzen Nachmittag bei einem großen Haufen unter einer halb vertrockneten Tanne verbracht hatte.
    »Unter den Ameisen findest du alles, Mutter. Da gibt es Weber, Zimmerleute, Maurer, Bäcker, Gärtner, Krieger, Faule und Fleißige. Aber keine Professoren, Beamte, Feldherren oder andere, die Befehle erteilen. Alles folgt einer eigenen Ordnung, ohne dass sie es wissen. Ja, sie wissen nicht einmal, dass sie Ameisen sind. Verstehst du das?«
    Sie schüttelte besorgt den Kopf. »Was soll aus dir noch werden, Johannes?«
    Er überhörte ihre Frage. »Da, riech einmal, ein wenig ist noch da!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, streckte er ihr seine kleine Hand unter die Nase und ohne eigentlich zu wollen, sog sie den immer noch stechenden Geruch auf seiner Haut ein, den die Ameisen absondern, wenn man mehrere Male nacheinander mit der Handfläche auf den Haufen klopft.
    Sie musste leicht husten.
    »Das musst du selbst einmal sehen«, sprudelte er weiter, »sie kommen alle heraus und bringen sofort wieder die beschädigte Stelle in Ordnung. Es gibt keine Oberameise, die ihnen das befiehlt! Das machen sie von selbst! Verstehst du das?«
    »Nein, ich verstehe das nicht, Bub, und das ist mir auch gleichgültig. Ich habe den ganzen Tag damit zu tun, für unseren kargen Lebensunterhalt zu sorgen und keine Zeit, mich um so einen Unsinn wie Ameisen zu kümmern!«
    Im Stillen überlegte sie, ob es doch so eine gute Entscheidung gewesen war, den Buben zur Schule zu schicken.
    Als das zweite Jahr anbrach, hatte Johannes sich verändert. Er wurde immer schweigsamer und in sich gekehrter und wenn seine Mutter ihn fragte, was er denn habe, antwortete er höflich, aber bestimmt, dass sie das nicht verstehen würde.
    Zwar war sie stolz darauf, dass ihr Sohn das Lesen und Schreiben lernte, aber wenn er ihr vom Logischen Denken erzählte, hätte er mit ihr genau so gut lateinisch reden können.
    Auch brachte er Heiligenlegenden und fromme Traktate mit nach Hause, über denen er tiefgebeugt bis spät in die Nacht im Schein eines Kienspanes saß.
    »Du verdirbst dir noch die Augen!«, ermahnte sie ihn immer wieder.
    Gehorsam löschte er dann den Span und kroch widerstrebend in sein Bett. Das Einzige, worüber er ausführlich und mit Begeisterung mit ihr sprach, waren seine Ameisen. Inzwischen hatte er auch angefangen, eigene Experimente durchzuführen. überall standen Behältnisse und Vasen herum, in denen er einzelne Ameisen hielt, die aber regelmäßig nach ein paar Tagen verendeten, obwohl er sie immer in der Nähe des Haufens einfing und auch etwas Futter von dort mitnahm. Zuerst dachte er, es läge an der Feuchtigkeit, aber auch das Besprengen mit Wasser und das Auslegen mit feuchten Tüchern brachte kein besseres Ergebnis. Nach meistens zwei, spätestens nach drei Tagen waren sie tot. Wenn er aber mehrere zusammen tat, lebten diese vier, fünf, ja mitunter sogar sechs Tage.
    »Ich weiß nicht, vielleicht haben sie nur eine so kurze Lebenserwartung«, sagte er zweifelnd, worauf seine Mutter keine Antwort gab, sondern nur einen Seufzer ausstieß.
    Erst eine lange Schönwetterperiode brachte ihm die Gewissheit. An die hundert Ameisen zweier Haufen hatte er mühsam mit Tinte markiert, die aber auch noch nach über zwei Wochen putzmunter über den Waldboden krabbelten. Selbst als es dann an zwei Tagen geregnet hatte, entdeckte er eine Woche später immer noch einige schwarz gefärbte Exemplare.
    »Das ist es«, murmelte er halblaut, »sie können ohne einander nicht leben. Ihr Staat ist so eingerichtet, dass das einzelne Lebewesen ohne die Gemeinschaft nicht überlebensfähig ist. Selbst dann nicht, wenn alle materiellen Voraussetzungen erfüllt sind!«
    Noch etwas fiel ihm auf, was ihm bisher entgangen war: Die kleinen Tierchen wuselten nur scheinbar durcheinander. In Wirklichkeit aber nahmen sie fast immer den kürzesten und geradesten Weg. Sicher, es gab auch Ausnahmen und es gab

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