Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Sonnenlicht hell in den Raum und unten auf der Straße stritten ein paar Spatzen mit wütendem Tschilpen um einen Pferdeapfel.
Greyerz holte von der großen Kredenz an der Stirnseite einen Krug mit zwei reich verzierten Bechern. »Vom eigenen Rebberg am Bieler See. Nicht dieses Gepansche, das man sonst meist bekommt. Grausig! Sie schütten alles in einen großen Bottich zusammen und bezeichnen dann dieses Gesöff als Wein. Und wenn es absolut ungenießbar ist, werfen sie noch Tannenäste oder Waldbeeren hinein, um den furchtbaren Geschmack zu überlagern!«
»Höchstens halb voll!«, deutete Nider an, »ich bin kein großer Weintrinker.«
Greyerz füllte seinen eigenen Becher und nahm wieder Platz. »Ja, ja, die Zauberei im Simmental. Die gab es schon seit urdenklichen Zeiten. Aber die Verbrüderung mit dem Teufel kam von außen, sie wurde in das Tal hinein getragen. Angefangen hat das schon vor meiner Zeit, ich würde sagen, so um etwa 1370. Aber ich – und das halte ich mir zugute – war der Erste, der diese Schweinereien bemerkt und aufgedeckt hat. Es war wie mit einem Wollfaden. Er liegt vor dir, du hebst ihn auf und verfolgst ihn bis zu seinem Ende und plötzlich hast du einen ganzen Knäuel in der Hand!«
Nider hatte Mühe, seine Erregung zu verbergen. »Wie ging es weiter?«, fragte er heiser und nippte an seinem Becher.
»Es wurde immer schlimmer. Ein Gerücht ging um, dass in der Berner Gerichtsbarkeit in ganz kurzer Zeit dreizehn Kinder spurlos verschwunden seien und es kam zu öffentlichem Aufruhr darüber, dass die Obrigkeit nur tatenlos zusehe und diesen Zauberern nicht zu Leibe rücke. Eine dieser Hexen aber bekam ich zu fassen und sie gestand mir nach anfänglichem Leugnen, sie würden sowohl ungetauften als auch getauften Kindern auflauern, sofern sie nicht mit einem Kreuz oder Gebet geschützt seien. Sie rauben sie auch aus dem Kindbett oder gar von der Seite der Eltern. Nachdem sie die Kinder nach ihren Zeremonien getötet haben, lassen sie sie oftmals liegen, um den Eltern einen Unglücksfall vorzutäuschen. Nach einiger Zeit stehlen sie die Leichen wieder aus dem Grab, lösen ihre Knochen aus und kochen sie in einem Gefäß mit heißem Wasser, bis sie flüssig und trinkbar geworden sind. Aus der festeren Masse machen sie dann Salben für ihre Künste oder zur Verwandlung ihrer Gestalt in Tiere. Die Flüssigkeit füllen sie in Flaschen oder Schläuche und alle, die davon trinken, werden durch die beigegebenen Zeremonien augenblicklich zum Mitwisser oder gar Meister der Sekte!«
Nider spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten und gerne wäre er bereit gewesen, das alles als Märchen abzutun. Aber der, der ihm das alles erzählte, war nicht irgendwer, sondern der Richter und Ratsherr Peter von Greyerz.
»Aber das ist noch lange nicht alles«, fuhr dieser unbeirrt fort. »Vierzehn Jahre lang war ich Vogt und die Hexer und Zauberer konnten mir nichts anhaben, da mich meine Frömmigkeit beschützte. Ich war schon wieder einige Jahre in Bern, als ich wegen einiger Geschäfte zurück ins Simmental musste. Ihr könnt mir glauben, es war mir äußerst zuwider, aber mir blieb keine andere Wahl. Es war schon spät in der Nacht, als ich auf der Blankenburg ankam. Ich war hundemüde, bekreuzigte mich kurz und legte mich gleich schlafen. Mir lag daran, hier schleunigst wieder wegzukommen und ich wollte noch nachts aufstehen, um ein paar nötige Briefe zu schreiben. Als ich die Augen aufschlug, war helles Licht um mich und verärgert sprang ich aus dem Bett in der Annahme, verschlafen zu haben. Dabei vergaß ich das Kreuzzeichen und rannte die Treppe hinunter zur Schreibstube, die ich aber verschlossen vorfand. Wütend auf mich selbst machte ich kehrt und fluchte vor mich hin ›In Teufels Namen‹ oder so etwas Ähnliches, worauf es schlagartig stockfinster wurde. Mich schlug es die Treppe hinunter, wo ich bewusstlos und blutend liegen blieb. Drei Wochen war ich danach krank. Gleich hatte ich zwar die Hexer im Verdacht, aber ich konnte nicht herausfinden, wer mir das angetan hatte. Es kam erst später an den Tag, dass es die Rache von fünf Simmentaler Hexern, vier Männern und einer Frau gewesen war, die mich umbringen wollten.«
Nider sah Greyerz an, dass dieses Erlebnis ihm immer noch zu schaffen machte und unwillkürlich musste er an seine eigenen Erlebnisse im Nürnberger Frauenkonvent und in der Isnyer Klosterzelle denken.
»Ihr habt diese Prozesse alleine, ich meine ohne Unterstützung
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