Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
durch die Geistlichkeit geführt?«
»Pah«, sagte Greyerz mit einer verächtlichen Handbewegung, »sie versteckten sich hinter dem Canon episcopi und tun das noch bis heute, obwohl ich ihnen ja genügend Beweise geliefert habe!« Er sah seinem Gegenüber fest in die Augen. »Die Angst und die Furcht der Leute vor den mächtigen Zauberern war unvorstellbar. Sie getrauten sich kaum noch aus ihren Häusern, gingen einander aus dem Wege und beobachteten sich gegenseitig voller Misstrauen. Sie wagten kaum noch, miteinander zu sprechen und es verging fast kein Abend, an dem nicht irgendjemand auf die Blankenburg geschlichen kam und seinen Nachbarn, Schwager oder Schwägerin der Hexerei bezichtigte. Vieles war natürlich oftmals Blödsinn und manch einer versuchte die Justiz für seine eigenen fadenscheinigen Zwecke zu missbrauchen. Mit der Zeit aber entwickelte ich einen – fast möchte ich behaupten untrüglichen – Instinkt dafür, ob es sich lohnte, einer Anzeige nachzugehen oder nicht. Fast alle, die von mir angeklagt wurden, gestanden letztendlich, mit dem Teufel paktiert zu haben.«
Johannes Nider trat vor der Türe des Greyerz’schen Anwesens in einen bereits dämmernden Spätnachmittag. Er war bis ins Innerste aufgewühlt. Zurück im Konvent schloss er sich sofort in seiner Zelle ein und begann alles aufzuschreiben.
6. KAPITEL
G elb wie eine Honigwabe hing der Mond am Himmel, irgendwo kläffte ein Hund und zwei offensichtlich Betrunkene zogen grölend und lärmend nach Hause. Niklas lag in seiner Kammer neben der Küche, die man ihm zugewiesen hatte. Er war Nider so lange in den Ohren gelegen, bis dieser ihm gestattet hatte, mit nach Basel zu kommen. Bis dahin hatte er immer geglaubt, dass Mönche friedliche und friedfertige Menschen seien. Aber hier im Basler Dominikanerkloster war es gleich nach ihrer Ankunft drunter und drüber gegangen. Zwar hatten sich die Brüder während der Verhandlungen in Bern zähneknirschend der Observanz unterworfen und General Texery hatte ihnen in Absprache mit Nider eine Reihe von Erleichterungen zugestanden. Aber es hatte doch noch eine Reihe von Mönchen gegeben, denen auch dies noch zu viel war und die jede Möglichkeit nutzten, verschwörerische Reden zu halten und die neuen Mitbrüder aus dem Nürnberger Konvent mit Nichtbeachtung zu strafen.
»Ich verlange nichts von euch, was ich nicht auch tue!«, hatte Nider bei seinem Einzug als neuer Prior betont, sie aber starrten ihn nur mit finsteren Blicken an. Mit jedem Einzelnen hatte er lange Gespräche geführt, deren Inhalt sie aber sofort tuschelnd untereinander weitererzählten. Ihre letzte Hoffnung war die Provinzialversammlung des Ordens in Esslingen gewesen, wo sie aber eine schmähliche Niederlage einstecken mussten. Wütend und gedemütigt verließ die Mehrzahl von ihnen, darunter auch der frühere Prior, den Konvent.
Nider behandelte seinen Schützling mit Strenge, hatte aber insgeheim Freude an dem aufgeweckten Burschen – und seine Flausen würde er ihm schon noch austreiben. Mit Feuereifer war er beim Lernen des Alphabets dabei, das ihm anfangs noch Gregor beibrachte. Hier in Basel hatte sich der alte Nikolaus von Landau erboten, den Jungen zu unterrichten.
Niklas selbst hatte an dem strengen Klosterleben wenig Gefallen und es gab durchaus Augenblicke, an denen er sich zurück zu seinen Schweinen wünschte, wo nicht der ganze Tag in irgendwelche Regeln gepresst war. Zwar wären nun genügend Zellen leer gestanden, aber diese waren den Mönchen und Novizen vorbehalten. Die ihm zugewiesenen Arbeiten versah er gewissenhaft und dem Prior wurde berichtet, dass er ohne Aufforderung mehrere undichte Stellen auf dem Dach mit neuen Schindeln ausgebessert und zwei gebrochene Platten im Hof ersetzt habe. Aber hie und da konnte er sich einen Streich nicht verkneifen und er dachte bei sich, dass das auch die Mönche, wenn auch nicht immer die Betroffenen selbst, lustig finden müssten. Erst vor ein paar Tagen hatte er die Türklinke zum Hof mit Ruß eingerieben und nach einiger Zeit lief die Hälfte der Brüder mit schwarzen Flecken in den Gesichtern herum. Lachend blieben sie dann stehen und der eine zeigte auf den anderen, worauf dieser zuerst stutzte und dann lachend zurück deutete. Der Einzige, der da keinen Spaß verstand, war der Prior, der ihn zu sich bestellte und ermahnte, solche Scherze in Zukunft zu unterlassen.
Niklas musste schmunzeln, als er an heute Nachmittag dachte. Der schwachsichtige Bruder Jonas
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