Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
und achtzehn Herzöge waren durch Gesandte vertreten. Ein in den gelehrten Zirkeln vieldiskutiertes Thema vor allem der Teilnehmer aus Süddeutschland, Savoyen, Frankreich und Italien war der neue Hexenglaube, der wie ein giftiger Nebel über die Länder waberte und auch in die letzten Winkel der entlegendsten Bergtäler eindrang. Nider stellte das neue Denken zur allgemeinen Debatte. Eine solche Gelegenheit wie das Konzil würde zu seinen Lebzeiten nicht wieder kommen. Hier trafen sich über Jahre hinweg die Geistesgrößen und Mächtigen des ganzen Abendlandes. Hier wurden bestehende Meinungen bestätigt, neue Gedanken diskutiert, abgewogen, verworfen oder bestätigt und in die Welt hinausgetragen. Manche der Gesandten aus den mittel- und norddeutschen Gebieten hatten zwar schon davon gehört, dies aber mehr als Schaudergeschichten oder Aberglauben abgetan.
Sie alle kannten die Lehrmeinung des Canon episcopi über Frauen, die, »durch Blendwerk und Vorspiegelungen der Dämonen verführt, glauben und bekennen, des Nachts zusammen mit der heidnischen Göttin Diana und einer unzählbaren Menge von Frauen auf gewissen Tieren zu reiten, in der Stille der dunklen Nacht große Entfernungen zurückzulegen, die Weisungen der Göttin zu befolgen, als wäre sie die Herrin, und in bestimmten Nächten zu ihrem Dienst gerufen zu werden.«
Nun aber waren hier die gebildetsten Köpfe des Abendlandes beisammen und ereiferten sich über nächtliche Flüge auf Besen und Ziegenböcken, allerdings mit dem Unterschied, dass sie jetzt davon ausgingen, dass diese Schilderungen der Wirklichkeit entsprachen und mit direkter Hilfe des Teufels bewerkstelligt werden könnten. Sie debattierten über Teufelsanbetung, Verwandlung von Menschen in Tiere, Unzucht mit dem Teufel selbst, Verzauberung von Mensch und Vieh und anderen grauenhaften Dingen.
Nikolaus Amici berichtete vom Prozess gegen Jeanne d’Arc in Rouen, bei dem er zugegen gewesen war, der Inquisitor Heinrich Kalteisen war in Basel, ebenso Peter Wichmann aus Westpolen, Juan de Torquemada aus Spanien, Nikolaus von Kues, Aeneas Silvius Piccolomini, Kardinal Albergati, der Philologe Tommaso Parentucelli ebenso wie viele andere gelehrte Juristen, Philosophen und Theologen. Auch Nider erzählte von seinen eigenen Erlebnissen und den fürchterlichen Vorkommnissen im Simmental, die er von dem Berner Richter Greyerz erfahren hatte.
Der Sekretär des Papstes Felix V., Martin Le Francs, wusste von unsagbaren Hexentaten und Menschen, die sich nächtens im Valloise in reißende Wölfe verwandelten, und Amédée de Talaru, der Erzbischof von Lyon, erzählte die Geschichte eines alten Kürschners aus Regensburg, den die Räuber im Wald überfallen hatten. Plötzlich sei ein großer Trupp bewaffneter Reiter aufgetaucht und hätten ihn befreit. Die Reiter aber seien leibhaftige Teufel gewesen. Der Kürschner sagte, die Welt sei voll von Leuten, die nach den Teufeln riefen und diese fänden willige Anhänger, da die Welt voll von Missetaten, Kriegen und Verwirrungen sei. Aber wer von den Mächten der Finsternis beschützt würde, müsse auch ein Hexer sein. Das Gericht in Briançon kam zu derselben Erkenntnis und der Richter Claude Tholosan ließ ihn hinrichten.
»Das ist ja ein völlig neuer Aspekt«, warf einer der Umstehenden ein.
»Und Tholosan ist ja nicht irgendwer«, fuhr de Talaru fort, »er ist zwar kein Theologe, aber trotzdem eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Hexenwesens. Über zweihundert Prozesse hat er schon geführt und auch schon einige Abhandlungen darüber geschrieben! Er hat auch nachgewiesen, dass sich die Teufelsanhänger nach außen hin in das Gegenteil verstellen können. Sie leben scheinbar fromm, in Wirklichkeit aber ohne Glauben, gehen eifrig in die Kirchen. Mit abergläubischen Formeln heilen sie Menschen, die wiederum glauben, sie hätten diese Gabe von Gott und sie wie Heilige verehren.«
»Diese Heuchler sind natürlich besonders schwer zu fassen. Aber oft verraten sie sich selbst durch scheinbar übergroße und übertriebene Frömmigkeit«, setzte er hinzu.
De Talaru schwieg einen Moment. »Tholosan war es auch, der mich auf das Einsickern dieser Abtrünnigen auch von Lyon aus aufmerksam machte. Mit dem Herzog von Savoyen habe ich deshalb schon vor Jahren ein Abkommen über das Vorgehen gegen Häretiker, Blasphemiker, Magier, Zauberer und Juden geschlossen!«
Schon seit Jahren war in Basel ein Kommen und Gehen und es gab Zeiten, in denen über
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