Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
an, »… und hol zwei Hocker!«
»Was willst du hier? Du bist schon der Vierte!«, fauchte sie, respektlos das »Du« gebrauchend.
Den Mönch schien es nicht zu stören. »Ich soll dir etwas ausrichten!«
»Mir? Etwas ausrichten? Von wem?«, fragte sie argwöhnisch.
»Von der Agnes Bader!«
Als sie den Namen hörte, begann sie zu kreischen und schlug mit ihren kleinen Fäusten auf den Priester ein, der sie aber ohne Gegenwehr gewähren ließ. Der Wärter ließ polternd die beiden Hocker zu Boden fallen, kam in die Zelle gestürzt und wollte sich dazwischen werfen.
»Lass sie und geh hinaus!«, sagte Odilius ruhig.
Verdutzt ließ die Mindelheimerin von ihm ab und wich einen Schritt zurück.
»Wisst Ihr, warum ich hier bin und wer daran mit Schuld hat?«, schrie sie auf.
Der Pater nickte.
»Und, was will sie dann noch von mir?«
»Sie bittet dich um Verzeihung!«
»Um Verzeihung? Ist sie noch ganz bei Trost? Sie hat mich als ihre Komplizin angegeben!«
»Ich weiß. Sie hat bei mir gebeichtet und mich gebeten, es auch dir zu sagen. Auch sie wurde übertölpelt, genau so wie du, schließlich hast auch du sie im Gegenzug belastet!«, entgegnete Odilius.
»Aber sie hat angefangen!«, heulte die Mindelheimerin.
»Weil sie als Erste verhört worden ist. Wenn du als Erste dran gewesen wärest, hättest du eben den Anfang gemacht!«
»Nein! Sicher nicht!«, antwortete sie bestimmt.
»Doch! Einem Heinrich Institoris und seinem Kumpan Johannes Gremper entkommt kaum einer. Außer, er hat Beziehungen wie die Elisabeth Frauendienst!«
Anna stutzte. »Die Frau vom Schlosser Frauendienst?«
»Genau die. Ihre Söhne, Schwiegersöhne und deren Väter sowie der Pfarrer Sunthain, der auch zur Sippschaft gehört, haben für sie gebürgt. Aber was wollt ihr beiden, du und die Agnes Bader? Die Baderin hat keinen einzigen Angehörigen, und du?«
»Eine Großtante«, erwiderte die Mindelheimerin.
»Die vermutlich genau so arm ist wie ihr, von Beziehungen wollen wir gar nicht erst reden!«
Anna nickte stumm.
Die Türe ging auf und der Wärter warf wortlos die beiden Hocker in die Zelle.
Odilius hob sie auf und stellte sie an die Wand. »Komm, setzen wir uns. Es redet sich so leichter!«
Zögernd nahm sie gegenüber dem Priester Platz.
Der Mönch sah ihr fest in die Augen. »Anna, ich bin mir bewusst, ich habe leicht reden. Du hast den schwersten Gang deines Lebens vor dir, ebenso die Baderin. Die Agnes ist so verzweifelt, dich als Komplizin angegeben zu haben, dass sie von sich aus mit dir sterben will. Ihr größter Wunsch ist deine Vergebung und ich glaube, es ist auch für dich eine große Erleichterung, wenn du ihr diese gewährst. Sicher, sie hat dich bezichtigt, aber das Urteil wäre deswegen nicht anders ausgefallen, das kannst du mir glauben! Das eigentliche himmelschreiende Unrecht haben andere zu verantworten!«
Sie begann innerlich zu schwanken, sagte dann aber hart: »Nein! Damit soll sie selber fertig werden!«
»Du machst es dir aber schwer!«, seufzte Odilius und schwieg dann.
Nach einer Weile hob Anna müde den Kopf. »Sagt der Agnes, ich verzeihe ihr!«
Sie schwieg wieder und unvermittelt warf sich die Angst wie ein eisiges Leichentuch über ihre Seele. Morgen um diese Zeit würde von ihr nichts mehr übrig sein als mit Dreck vermischte Asche, die langsam auf der schmutzigbraunen Schussen dem Bodensee zutreiben würde. Der Gedanke trieb ihr Schauer über den Rücken, eine dunkle Hand fasste nach ihrem Herzen und kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Hilflos begannen ihre Schultern zu zucken und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Helft mir!«, flüsterte sie verzweifelt. »Helft mir!«
Der Mönch legte den Arm um sie und zog sie zu sich heran.
Mit einem Aufschluchzen drängte sie an seine Brust und er spürte, wie ihr kleiner schmächtiger Körper bebte und zitterte wie der eines kleinen, verwundeten Vögelchens.
»Es wird alles gut. Gott wird dir helfen und die Mutter Maria wird dir beistehen!«, sagte er sanft und strich behutsam über ihr verfilztes Haar.
»Kann ich beichten?«, fragte sie irgendwann leise.
Ein frischer, spätherbstlicher Wind strich von Westen her über das Land, hoch am Himmel segelten ein paar Wolken und der lange Schatten der Stadtmauer wurde zunehmend kürzer. Die halbe Stadt war in heller Aufregung und weit aus dem Umland kamen die Leute herangeströmt. Zwei Hexen sollten eingeäschert werden! Sieben Hinrichtungen hatte es in jüngster Vergangenheit gegeben,
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