Hexenhatz im Monsterland
sagen?«
»Eine ausgezeichnete Idee«, lobte ihn die Maid. »Ein oder zwei blutrünstige Alexandriner würden gut zum Charakter deiner Rolle passen.«
»In der Tat«, erwiderte der junge Bursche und holte einmal tief Atem, bevor er seine Attacke begann.
Er begann einfach zu rezitieren, während er immer mehr Geschwindigkeit aufnahm, und hoffte, die richtigen Worte würden ihm schon einfallen. »Ich krieg dich – uh – Biest – uh – Reptil – uh – paß bloß auf – uh – ich hab’ nämlich ein Schwert.«
»Wir werden noch ein wenig an deinen Alexandrinern feilen müssen«, sagte die Jungfrau, während sie vor den Drachen trat. Unser Bursche stolperte beim Bremsen, und sein schimmerndes Schwert kam nur einige Zentimeter vor der massiven Haarpracht der Schönen zum Stillstand. Diese lächelte. »Mit dem Bremsen klappt es schon besser. Wie du siehst, ist der Held aufgrund des Erscheinens der wunderschönen Dame ganz entrückt. Richtig verlieben tut er sich aber erst in sie, als sie mit honigsüßer Stimme ihr Liedlein zu singen anhebt.«
Ein Liedlein? War ihm so etwas Ähnliches nicht schon einmal passiert? O ja, da oben im Turm. Irgendwie hatte er jedoch das Gefühl, daß es schon wesentlich öfter passiert war. Der junge Mann sah sich hilfesuchend um. Wo steckte dieser Schuhbert nur, wenn man ihn brauchte?
Doch es war zu spät. Die Maid hatte bereits zu trällern begonnen:
Hast du ’nen Drachen,
So wird dir nie kalt,
Doch wenn er dich auffrißt,
Wirst du nicht alt.
Hast du ’nen Drachen,
So kannst du nie schwitzen:
Er tilgt den Schweiß
Mit der ihm eig’nen Hitze.
Hast du ’nen Drachen,
hebst nicht mehr lang du,
Er speist dich zum Frühstück,
Das macht mich so bang – uh!
Drum fleh’ ich dich an,
Ich flehe, ich schreie, ganz außer Atem,
O rett mich vor ihm!
Sonst werd’ ich durchgebraten.
Sei so gut, mein Held,
Und bring dich auf Trab,
Oder deine blonde Schöne,
Wird ein Maiden-Kebab.
Das Lied schien kein Ende nehmen zu wollen. Nach einiger Zeit entschloß Wuntvor sich, Platz zu nehmen, wobei er das Schwert sanft über seine Knie legte.
»Wir spielen wohl eher die Nebenrollen, nicht wahr?« bemerkte Cuthbert.
Der Bursche nickte und seufzte. »Diese Bühnenkarriere ist nicht ganz das, was ich erwartet hatte. Es scheint nichts als lange Wartezeiten zu bringen.« Er warf der Maid, die gerade eine Strophe über Drachen-Fritteusen in Angriff genommen hatte, einen verstohlenen Blick zu. »Ich wünschte, mir nur, alles wäre ein wenig aufregender.«
»Gewährt!« quäkte die Stimme aus dem Nirgendwo.
Wuntvor vernahm schwere Schritte, die sich von der Brücke her näherten. Er sprang auf und wirbelte so schnell herum, daß er beinahe sein Schwert verloren hätte.
Ein massiger Krieger stand auf dem diesseitigen Ufer am Ende der Brücke, und besagter massiger Krieger hielt eine ebenso massige Kriegskeule in einer seiner ebenfalls nicht gerade kleinen Hände.
»Verdammnis«, setzte der Krieger an. »Die Zeit der Abrechnung ist gekommen.«
Kapitel Acht
»Der Durchschnittsmensch vermag nur schwer zu verstehen, daß Riesen, ganz wie andere riesige magische Geschöpfe, weitgehend einfach mißverstanden werden. Doch denken Sie einmal ernsthaft über die Angelegenheit nach: Wie oft haben Sie schon eine tiefgreifende, mitfühlende Unterhaltung mit einem Wesen geführt, vor dem Sie um Ihr kostbares Leben rennen?«
aus: – ICH BIN OK, ICH BIN EIN MAGIER: KLEINER PSYCHOLOGISCHER RATGEBER FÜR DEN GEISTIG GESUNDEN MAGIER, von Ebenezum, dem größten Magier der Westlichen Königreiche (vierte Auflage)
»Wir sollten keine übereilten Entscheidungen treffen«, mahnte das Schwert.
»Sollen wir einmal nachsehen, was dieser Krieger wünscht?« schlug Wuntvor vor.
Cuthbert seufzte gottergeben. »Oh, ich wußte ja, daß heute nicht mein Tag ist. Soll ich dir mal sagen, wie ich mich fühle? Hattest du schon einmal diese unangenehme Gewißheit, mit der falschen Seite aus der Scheide gezogen worden zu sein?«
»Verdammnis«, donnerte der massige Krieger, als unser mutiger Bursche sich ihm näherte. »Norei wartet. Ich sollte das sagen.«
Norei wartet? Hoffnung machte sich plötzlich wieder in Wuntvors Heldenbrust breit. Aber das bedeutete ja…
»Es war einmal«, murmelten Wuntvor und der Krieger im Chor.
»Verdammnis«, wiederholte der Massige. »Ich bin der Krieger der Warnung. Und ich warne dich: Der Riese kommt.«
»Der Riese?« kreischten Cuthbert und die Jungfer
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