Hexenhatz im Monsterland
verweigerst du dich meinen Wünschen? Ich versichere dir, daß du ein interessanter Stoff für meine Märchen bist, aber das kann nicht für alles als Entschuldigung gelten! Befehle müssen ausgeführt werden! Da sind Äpfel, die gegessen werden müssen! Punktum!«
Sie stieß den Korb vorwärts. Wuntvor konnte die Äpfel jetzt riechen, sie dufteten direkt vor seiner Nase. Sie rochen sehr süß, fast ein wenig übertrieben süß, so, als ob ihre grüne Schale aus reinem Zucker hergestellt worden wäre. Doch so süß sie auch sein mochten, er wollte einen. Er konnte sich nicht mehr an seine letzte Mahlzeit erinnern. Andererseits konnte er sich an eine Menge anderer Dinge auch nicht mehr erinnern.
Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
»Warum nimmst du dir nicht endlich dein Äpfelchen!« befahl die alte Dame. »Ein kleiner Biß, ein paar Sekunden, und alles ist vorbei. Ich finde, du bist mir das schuldig, nach allem, was ich für dich getan habe.« Sie versuchte, aufmunternd zu lächeln, was nicht so recht gelingen wollte.
Sie seufzte, dann beherrschte wieder ein ärgerliches Stirnrunzeln ihr Gesicht. »Du hast mich dazu gebracht, mich persönlich in eine meiner eigenen Geschichten zu begeben, damit ich mein Königreich vor dem Schaden bewahren kann, den dieser schlafende Wolf da angerichtet hat! Ich habe noch nie so viel Zeit bei der Ausarbeitung meiner Geschichten verplempert – und ich bin, wie du weißt, eine professionelle Märchenerzählerin!« Sie hielt inne, sichtlich um Selbstkontrolle bemüht. »Ich gebe zu, daß du einiges für mich getan hast. Der Himmel weiß, du hast mir neue Ausblicke ermöglicht, ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, phantastische Perspektiven gezeigt, die ich in meine traditionellen Märchen einbauen konnte. Ich bin dir dafür sehr dankbar. Himmel, ich hätte niemals Tod auf diese Art und Weise rufen können, wie du dazu offensichtlich in der Lage bist. Aber alle diese neuen Möglichkeiten müssen Märchenrealität werden – JETZT!«
Sie starrte den Burschen durchdringend an, und ihre Augen schienen in dem gleichen grünen Feuer aufzuflammen wie die leuchtenden Äpfel.
»Denke nach, mein hübscher Prinz«, flüsterte sie.
Wuntvor begann zu schwitzen.
»Ähm…«, brachte er heraus. »In der Tat?«
Mutter Duck lachte säuerlich. »Du widerstehst mir noch immer. Siehst du die Hoffnungslosigkeit deines Unterfangens denn nicht ein? Ich bin die oberste Herrscherin über alles, auf das mein Blick fällt. Wenn du mein Reich betrittst, gehörst du mir für den Rest deines Lebens!«
Das grüne Leuchten in ihren Augen wurde stärker. Wuntvor konnte den Blick nicht mehr abwenden. Er bemerkte, wie sich seine Zunge und seine Lippen von selbst in Bewegung setzten.
»Es war…«, begann der Bursche. »Autsch!«
Irgendwie hatte sein Schwert ihm gegen den Schenkel geschlagen. Wuntvor sah auf seine Waffe.
»Ich würde sie nicht anschauen!« riet das Schwert. »Ich garantiere dir, das führt zu Blutvergießen!«
»Das wird es auch!« ereiferte sich Mutter Duck. »Du scheinst jenen unbeschreiblichen Dusel zu haben, der dich aus jeder Lage errettet. Diesmal aber nicht! Ewiger Lehrling oder nicht, du ißt jetzt einen meiner Äpfel!«
Sie holte mit dem Korb weit nach hinten aus, als wollte sie den Inhalt Wuntvor ins Gesicht schleudern. Ihre Wut und die Besessenheit, mit der sie ihr Ziel zu erreichen suchte, hatten indes dazu geführt, daß sie die massige Gestalt des Drachen hinter sich nicht bemerkte, der sich ihr unauffällig genähert hatte. Das riesige Reptil ergriff den schwingenden Korb vorsichtig mit seinen langen Zähnen, hob ihn kurz an und ließ die fünf verbliebenen Äpfel in seinen Schlund rutschen.
»Was?« Mutter Duck starrte ungläubig ihren nun leeren Korb an. »Weg? All meine köstlichen, so speziellen Äpfel weg?« Sie stierte Wuntvor an. »Du wirst meinem gerechten Zorn nicht entkommen! Warte hier! Ich bin zurück, sobald ich nachgeladen habe!«
Es gab ein nicht unerhebliches Aufprallgeräusch, als der Drache zu Boden ging. Das große Reptil begann laut zu schnarchen. Mutter Duck keuchte atemlos vor sich hin, während sie um den liegenden Körper herumstürmte.
»Oha!« meldete sich das Schwert in Wuntvors Hand erneut zu Wort. »Der haben wir es aber gezeigt.«
»In der Tat«, antwortete unser Bursche, immer noch nicht sicher, was er denn nun getan hatte. »Und was machen wir jetzt?«
»Hmmmm«, überlegte das Schwert. »Nun, da Mutter Duck den Abgang gemacht hat,
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