Hexenhatz im Monsterland
die Alte beruhigend. »Es gibt keinen Grund, sich zu fürchten. Ich habe euch allen etwas zu essen mitgebracht.«
Sie schlug ihr dunkles Umhängetuch zurück und enthüllte einen mit Äpfeln gefüllten Korb, der über ihrem Arm hing. Diese sahen allerdings anders aus als alle Äpfel, die Wuntvor bisher gesehen hatte: Sie leuchteten hellgrün in der Dunkelheit.
»Sehen sie nicht köstlich aus?« fragte Mutter Duck aufmunternd. »So dick, so saftig und so süß. He, he, he! Möchtest du nicht sofort in einen hineinbeißen?«
Wuntvor schluckte und trat noch einen Schritt zurück. Er war sich alles andere als sicher, ob er in etwas hineinbeißen wollte, das eine eigene Lichtquelle enthielt.
Ein Wolf mit einer blauweißen Kappe rannte auf die alte Frau zu. »Hallo!« rief die Bestie. »Wenn ich sonst schon nichts kriegen kann, wird einer von denen meinen Hunger stillen müssen.« Und mit diesen Worten nahm er sich einen Apfel aus dem Korb.
»Wie kannst du es wagen!« ereiferte sich Mutter Duck. Unser Held zuckte vor ihrem Zorn zurück. Wuntvor mit einem freundlichen Blick bedenkend, sprach sie nunmehr in gemäßigterem Tonfall auf den Wolf ein. »Nun, nun, ich glaube, das mag schon seine Richtigkeit haben. Du mußt ja wirklich schrecklich hungrig sein. Ich glaube, ich habe vergessen, einige Mahlzeiten in die heutigen Märchen einzubauen, nicht wahr? Wir müssen nur sicherstellen, daß Wuntvor einen Apfel aus diesem Korb erhält.« Sie schwenkte den Korb in seine Richtung. »Nicht, daß an diesen Äpfeln etwas Besonderes wäre. Nein, ganz und gar nicht. Sie sind nur besonders köstlich. He, he, he!«
»Verdammnis!« Der Hüne beugte sich über den Korb und zog einen Apfel heraus. »Ich bin ausgehungert.«
»Senkel und Sohle!« Der sehr kleine Kerl sprang in den Korb und schob dann schnaufend einen Apfel über den Rand. »Schuhberts brauchen ihre Power!« Er folgte dem fallenden Apfel bodenwärts.
Mutter Duck bebte vor unterdrückter Wut. In dem fremdartigen, grünen Licht der Äpfel wirkte sie sehr, sehr zornig.
»Wenn noch einer von euch es wagen sollte, diese Äpfel anzufassen, dann schlage ich euch…« Sie hielt abrupt inne, als sie bemerkte, daß Wuntvor sich von ihr zurückzuziehen begann.
»Mein Liebes«, säuselte sie nach einem Augenblick der inneren Sammlung, und nun troff ihre Stimme geradezu vor Freundlichkeit. »He, he, he! Ich befürchte, ich bin unnötig schroff gewesen. Mutter Duck sollte zu dieser fortgeschrittenen Stunde ohnehin nicht mehr auf sein. Es ist ihre Bettzeit!« Sie hielt Wuntvor wieder den Korb unter die Nase. »Es gibt genug Früchte für jeden. Aber die anderen sollten warten, bis Wuntvor seinen hatte. Das ist nur recht und billig.«
Der Wolf biß krachend in seinen Apfel.
»Hmmmm!« rief er aus. »Die sind kost…«
Er fiel aufs Gesicht, bevor er den Satz beenden konnte. Lautes Schnarchen erscholl über die Lichtung.
»Ein anschauliches Beispiel schlechten Benehmens!« erklärte Mutter Duck und zeigte anklagend auf die schlafende Bestie. »Er fängt mit dem Essen an, noch bevor die anderen etwas haben, und verfällt sofort in ein Nickerchen!
Was für eine Frechheit! Er wird nie wieder in einem meiner Märchen teilnehmen, das verspreche ich euch!«
Sie machte einen weiteren Schritt auf Wuntvor zu. Eine blonde Maid tauchte hinter ihr auf und entwendete einen Apfel aus dem Korb.
»He, he, he! Nun, mein Liebes, mein süßer Junge. Ich habe diese Äpfel nur für dich mitgebracht. Ich weiß, daß du eigensinnig bist und bestimmte Worte nicht sagen willst. Aber Mutter Duck ist nicht böse mit dir. O nein. He, he, he! Und um dir zu beweisen, wie sehr ich dich mag, habe ich dir diese wundervollen Äpfel gebracht, und du brauchst nur einen klitzekleinen Bissen von einem klitzekleinen Apfel abbeißen. Mutter Duck würde sich so sehr freuen, wenn du das für sie tust.«
»In – in der Tat«, stammelte Wuntvor, »ich will nicht.«
Die alte Dame stand für einen Moment wie vom Donner gerührt und starrte auf den Jüngeren. Eine kleinere Gestalt in weiten Gewändern streckte die Hand aus und griff sich eine Frucht.
»Du willst nicht?« fragte sie schließlich, und die Freundlichkeit in ihrer Stimme schwand hörbar mit jedem Wort. »Du bist im Königreich von Mutter Duck und willst nicht?« Sie lachte erneut, nun dunkel und furchteinflößend. »Du tauchst hier auf, unangemeldet, ohne Einladung, wegen einer dümmlichen Mission, die meiner Aufmerksamkeit nicht wert ist. Und nun
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