Hexenkatze - Roman
war mir fast etwas unheimlich gewesen. Wir wollten doch die Wichtigkeit der Ereignisse nicht überbewerten. Mein Schutzmantel aus Worten und Gesten musste ganz schnell wieder übergezogen werden. Ich setzte mich entschlossen auf.
»Na gut, Deba, stell die Stacheln wieder auf. Aber nicht ganz so heftig. Ich möchte noch einmal unverletzt deine Haut spüren.«
»So fies bin ich gar nicht, es ist nur so, dass ich gleich einen Schwächeanfall erleide, und ich weiß nicht, ob es deinemkonventionellen Geschmack entgegenkommt, wenn ich dir so völlig leblos zur Verfügung stehe. Ich habe nämlich seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Irgendwie haben sich die Ereignisse ein wenig überschlagen.«
»Mh, jetzt, wo du es sagst, ist der Gedanke an Nahrung auch für mich nicht ganz abwegig.«
»Na prima. Ich brauche jetzt etwas Sündiges.«
»Noch Sündigeres …«?
»Viel sündiger. Heiße Croissants und süßen Rotwein.«
»Brrr.«
»Du kriegst rohes Fleisch.«
»Mit den Zähnen vom lebenden Körper gerissen, gerne. Komm her!«
Ich entwischte seinen gierigen Händen und machte die Schranktür auf. Da gab es für besondere Situationen einen schwarzen Seidenkimono. Ein richtig luxuriöses Stück. Und, na ja, es war ja wohl eine besondere Situation. Ich wickelte die schwere Seide um mich, während Alex seine Jeans anzog. Das Sweatshirt ließ er weg. Mh?!
»Ist dir nicht kalt?«
»Nein.«
»Du bist auch nicht eitel?«
»Nein.«
»Du willst mich auch nicht reizen.«
»Das schon gar nicht.«
»Na gut. Komm mit in die Küche.«
Ich ging im Halbdunkel voraus, vermied aber, Licht anzumachen. Im Wohnzimmer stand die Terrassentür noch offen, und es war scheußlich kalt geworden. Ich schloss sie, sammelte das eine oder andere verirrte Kleidungsstück auf und stellte dann den Backofen an. Alex hatte Kerzen entdeckt und sie auf dem Küchentisch angezündet. Während die Croissants heiß wurden, holte ich eine Flasche Rotwein aus der Vorratskammer und wollte sie öffnen. Typisch Mann nahm mir Alex den Korkenzieher aus der Hand. Aber ich maulte nicht.
Es war seltsam, es herrschte Schweigen zwischen uns, als wie aßen und tranken. Ein angenehmes Schweigen ohne Geheimnisse, ohne Spannung. Die Kerzen flackerten sacht, es war warm in der Küche, und die Uhr am Herd zeigte mit bläulich leuchtenden Ziffern die Zeit an. Es war 21.59 Uhr.
Das Telefon klingelte.
Ich zuckte zusammen, aber sprang dann auf. Um diese Zeit? Der Apparat lag im kalten Flur, ich holte ihn in die warme Küche, als ich mich meldete.
»Hallo, Mam, ich bin’s.«
»Hallo. Na, was ist?«
»Duhu …?«
»Jaha?«
Ich hörte das drucksende Schweigen am anderen Ende und musste lächeln. Und erntete einen erstaunten Blick von Alex.
»Du, Mam, es ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber, könnte ich nicht … also, dürfte ich vielleicht …«
»Bleib bei Kevin, Liebes. Ich vertraue dir.«
»Oh, Mam, irgendwie bist du super.«
»Irgendwie, ja. Bis morgen dann.«
»Bis morgen, Mam.«
Ich brachte das Telefon wieder nach draußen und musste immer noch lächeln. »Was ist denn an dieser Nacht so Besonderes?«
»Dein Lächeln eben, Deba, das hat die Kerzen überstrahlt. Du setzt wirklich viel Vertrauen in deine Tochter. Hast du keine Angst, dass sie vielleicht doch unüberlegt handelt? Die Dinge geraten manchmal etwas aus der Kontrolle«, meinte er mit einem schiefen Lächeln.
»Alex, nicht mehr Angst als um mich, wenn wir diesen Fall mal von der Risikoseite betrachten.«
Was ihn einen Augenblick lang sprachlos machte.
Ich hob mein Glas und ließ die Kerzenflamme im Rotwein funkeln. Die Schönheit des Lichtes berauschte mich mehr als der Wein. Und erinnerte mich ferne an etwas, das ich schon einmal gesehen hatte.
»Du bist von einer seltsamen Schönheit, wenn du so versunken bist.«
Alex war aufgestanden, zog meine Schultern an seine Hüften und streichelte über meine Haare. Ich stellte mein Glas ab und schloss die Augen. Dieser Schutzmantel war solöcherig geworden. Aber ich hatte keine Lust, ihn wieder fest um mich zu ziehen. Ich ließ mir die Zärtlichkeit gefallen, zu weich, um aufzubegehren. Und als ich mich nach einer Weile löste, um mich umzudrehen und ihn anzusehen, da erhob die Schlange so plötzlich wieder ihr feuriges Haupt, dass ich kaum noch atmen konnte.
»Alex …?« Diesmal war ich es, die flüstern musste.
»Ja?«
Ich stand auf.
»Alex, möchtest du heute Nacht bei mir bleiben?«
»Mutter mit sturmfreier Bude sucht nächtliche
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