Hexenkatze - Roman
retten?«
»Sagtest du nicht etwas von gewissenhaftem Üben?«
So war der Sonntag doch nicht ganz verdorben. Und der Montag begann auch nicht schlecht. Alex gab mir sogar einen kleinen Einblick in seine Vergangenheit, denn ich fühlte mich im Recht, ihn zu fragen, ob er auch schon einmal verheiratet war.
Er war es nicht, und zu der Tragik seines Lebens gehörte eine Frau in Manila, mit der er zusammengelebt hatte und die er heiraten wollte. Doch als sein Vater gestorben war und ihm die Sorge um Xenia übertragen hatte, musste er sie verlassen. Als er später noch einmal versuchte, die Beziehung zu retten, hatte die Frau bereits einen Landsmann geheiratet.
Micki kehrte am Montagnachmittag zurück. Sie stieg aus einem Taxi, Jerry war nicht mitgekommen. Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie überschwänglich von ihren Erlebnissen berichten würde, aber sie zog sich seltsam verschlossen in ihr Zimmer zurück, um auszupacken. Obwohl ich ungeheuer neugierig war, wollte ich sie nicht drängen, mir etwas zu erzählen. Wenn sie mir ihre Entschlüsse anvertraute, sollte das aus eigenem Antrieb geschehen.
Sie kramte noch immer in ihrem Zimmer herum, als ich anklopfte, um ihr mitzuteilen, dass ich ins Studio fuhr. Seit Sonja ausgefallen war, hatte ich ihre Kurse übernommen.
»Ist gut, Mam. Ich mach mir nachher was zu essen. Und … wenn du zurück bist, können wir dann … ich meine, ich muss mit dir reden.«
Das Unbehagen in mir wuchs wieder ins Gigantische. Würde sie mir mitteilen, dass sie mit Jerry gehen wollte?
»Natürlich. Du siehst nicht besonders glücklich aus, Micki.«
Sie gehört nicht zu denen, die lange um den heißen Brei reden.
»Ich hab so ein schlechtes Gewissen, Mam. Er ist doch mein Daddy. Aber … aber ich kann doch nicht so einfach hier alles stehen und liegen lassen.«
Es war kein Stein, es war kein Felsbrocken, es waren die halbe Alpen, die von meinem Herz krachten.
»Ich muss leider weg, Mausebärchen. Aber über dein Gewissen können wir in aller Ruhe nachher sprechen. Vielleicht solltest du in der Zwischenzeit mal in Gedanken versuchen, nachzuvollziehen, warum Jerry so lange von uns fortgeblieben ist.«
»Oh, dazu habe ich einiges erfahren. Aber dazu später mehr.«
Mein Auto hatte keinen Fahrersitz, es hatte ein rosa Wölkchen. Selten war meine Musik mir so schwungvoll vorgekommen, noch nie waren die Teilnehmer so phantastisch.
Katharina saß hinter der Theke auf einem Barhocker, als ich nassgeschwitzt aus meinem Kurs kam.
»Hallo, Deborah. So sieht man sich auch mal wieder.«
»Wenn du morgens so selten kommst. Ich nehme an, du schläfst lange.«
»Sicher, im Büro, das ist besonders erquickend.«
»Hast du etwas von Sonja gehört?«
»Sie wird Ende der Woche aus dem Krankenhaus entlassen.«
»Wie geht es ihr?«
»Körperlich soweit gut. Der Schlag auf den Kopf hat keine Schäden hinterlassen. Aber sie sieht noch immer nichts. Ihr steht eine ganz schön mistige Zeit bevor.«
Ich nickte. Dann fragte ich: »Kannst du mir einen Moment ungestört zuhören?«
»Komm mit ins Büro.« Sie wies zur Tür und rief: »Erich!«
Ich räumte den Ordner mit den Mitgliederverträgen von einem Stuhl, setzte mich und schlang das Handtuch fest um meine Schultern.
»Was gibt es? Hast du einen Anhaltspunkt, wer es gewesen sein könnte?«
»Das nicht, aber ich habe ein paar interessante Erfahrungen zu dem Thema Blindheit gesammelt.«
In kurzen Worten erzählte ich von Micki und Alex. Katharina hörte mir gespannt zu, ohne mich zu unterbrechen. Als ich fertig war, nickte sie ein paar Mal nachdenklich.
»So etwas Ähnliches vermute ich bei ihr auch. Ich dachte daran, sie am Sonntag zu Agnes zu schicken. Wenn ich sie überreden kann. Sie ist natürlich im Augenblick reichlich deprimiert und möchte sich am liebsten verkriechen.«
»Ist Sonntag bei Agnes etwas Besonderes?«
»Sonntag ist der 31. Oktober. Agnes und ihr Kreis feiern Samhain.«
Mir waren die Jahreskreisfeste nicht so geläufig. Abgesehen davon lagen mir die Veranstaltungen nicht besonders. Agnes hatte einen Club in meinen Augen leicht verschrobener Frauen um sich versammelt, die gemeinsame Rituale durchführten. Aber ich wollte nicht leugnen, dass diese Maßnahmen denen, die daran teilnahmen, halfen, sich ihrer verschütteten Fähigkeiten besser bewusst zu werden. Wenn sie singend und tanzend sich um ihre Selbstfindung bemühten, war das vermutlich wirkungsvoller, als wenn sie sich mit ihren unterdrückten Gefühlen durch
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